Was bedeutet Premier Boris Johnson für die Schweiz?
Raubein und Brexit-Turbo Boris Johnson wird britischer Premierminister. Für die Schweiz könnte das vorteilhaft sein – sofern sich Johnson im Amt halten kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Brexit-Befürworter Boris Johnson wird nächster Premierminister des Vereinigten Königreichs
- FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, Präsident der EU-Delegation, ordnet ein.
- Fraglich sei, wie lange Boris Johnson überhaupt im Amt bleiben könne.
Boris Johnson wird Nachfolger von Theresa May als Premierminister von Grossbritannien. Damit wird ein teils beliebter, teils höchst umstrittener Politiker Regierungschef und damit vor allem für eines zuständig: Den Brexit.
Je nachdem, wen man fragt, ist Boris Johnson charmant und witzig, brillant, geistig instabil, ein Schlitzohr, arrogant, beleidigend oder volksnah. Bei Fettnäpfchen zeigt er sich äusserst treffsicher. Dies alles, in Kombination mit seiner unzähmbaren Frisur, brachte ihm den Ruf eines «missglückten Klons von Donald Trump» ein. Sollten wir uns, in der Schweiz, über so einen Staatsmann freuen?
«Für die Schweiz womöglich vorteilhafter»
Bis zum nächsten Stichtag, dem 31. Oktober, sind es rund drei Monate. Dass Boris Johnson bis dann tatsächlich eine einvernehmliche Lösung für den Brexit aus dem Hut zaubern kann, glauben die wenigsten. Auch nicht FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, der Präsident der EFTA/EU-Delegation des Parlaments – und doch ist er optimistisch.
«Wenn es einen harten Brexit gibt, könnte dies trotz grossem Schaden für ganz Europa kurzfristig für die Schweiz womöglich vorteilhafter sein.» Weil sich danndie EU sagen werde: Ok, aber mit der Schweiz wollen wir eine Lösung suchen. Die ganze harte Haltung der EU in der Personenfreizügigkeit könnte sich ändern. Insbesondere bei den Kern-Streitpunkten Entsenderichtlinien und Unionsbürgerrichtlinien.
Wie hart ist Boris Johnson wirklich?
Das entscheidende Wort ist aber «wenn». Portmann kehrt gerade von der Konferenz der Europa-Ausschüsse der EU-Länder in Helsinki zurück. Dort hat er auch bei britischen Abgeordneten die Stimmung sondiert. Dabei stehe eine Frage im Vordergrund: «Überlebt er es überhaupt oder ist er schon bald wieder nicht mehr im Amt?»
Die Opposition wird ihm die Vertrauensfrage stellen – was Johnson bis nach den Parlamentsferien verschieben kann. Johnson könnte auch das Parlament bis nach dem 31. Oktober handlungsunfähig machen und einen harten Brexit durch Nichtstun herbeiführen.
«Aber das wäre demokratiepolitisch ein absoluter Skandal», sagt Portmann. «Wenn er aber eh nur der ‹Brexit-Premier› sein will, kann er das machen.» Denn für Portmann ist jetzt schon klar: «Man muss davon ausgehen, dass er eine Vertrauensabstimmung nicht überleben würde.»
Abwarten und Tee trinken
Egal, was passiert: Dank vorsorglich abgeschlossener Abkommen ist die Schweiz im Umgang mit Grossbritannien für alle Fälle gerüstet. «Wir fragen sicher auch bei ihm und seinem neuen Kabinett für einen Gedankenaustausch an», kündigt Hans-Peter Portmann an. Zumindest die für den Aussenhandel zuständigen Parlamentsvertreter wolle man kennenlernen und die Schweizer Position erklären.
«Es steht immer noch die Frage im Raum, ob sich zum Beispiel die Schweiz und UK zu einem Teil einer grösseren Plattform von Drittstaaten ausserhalb der EU verbinden könnten.» Aber so lange sich Grossbritannien innenpolitisch nicht stabilisiere, seien aussenpolitische Zusagen nicht sehr nachhaltig, betont Portmann. «Für die Schweiz heisst das: Abwarten.»