Satire über Tamara Funiciello: Presserat rügt den Nebelspalter
Wegen eines satirischen Artikels hat der Schweizer Presserat den Nebelspalter gerügt: Der Text verletzte die Menschenwürde von Nationalrätin Tamara Funiciello.
Das Wichtigste in Kürze
- Vor gut einem Jahr hat der Nebelspalter einen Artikel über Tamara Funiciello publiziert.
- Der satirische Text mokiert unter anderem Körperbau und Gewicht der SP-Nationalrätin.
- Dadurch werde die Menschenwürde der Bernerin herabgesetzt – der Presserat rügt den Text.
Am 4. Juli 2022 hatte der Nebelspalter einen satirischen Artikel über Tamara Funiciello publiziert. Im Text kritisiert der Autor die Tatsache, dass die SP-Nationalrätin Kinder als Armutsfalle bezeichnet hatte. Diese Einstellung zeuge von fehlender Empathie und einem schrecklich technokratischen Menschenbild.
Einige Passagen aus dem Beitrag scheinen längst nicht bei allen Leserinnen der Zeitschrift gut angekommen zu sein. Eine Person hatte im Fahrwasser der Publikation beim Schweizer Presserat eine Beschwerde eingereicht.
Am Freitag hat der Schweizer Presserat nun entschieden, dass der Beitrag unter dem Titel «Tamara Funiciello: Geboren, um auszusterben» die Menschenwürde der Linksaussen-Politikerin verletze.
Kommentierende journalistische Darstellungsform
In einer Medienmitteilung erklärt der Presserat seinen Entscheid: «Wir hatten die Frage zu beantworten, wie viel Satire darf.» Das Gremium habe in seiner ständigen Praxis bereits festgehalten, dass die berufsethischen Normen auch für satirische Beiträge gelten. Gleichzeitig würde zur Beurteilung von satirischen Beiträgen prinzipiell ein grosszügiger Massstab angesetzt.
Der Presserat ist überzeugt: «Satire ist eine kommentierende journalistische Darstellungsform. Im Unterschied zum eigentlichen Kommentar darf sie nicht nur zuspitzen, sondern auch übertreiben.»
Die Grenzen würden allerdings dann überschritten, wenn der Aussagekern die Wahrheitspflicht verletze. Ferner dürften Einzelne oder Gruppen in ihrer Menschenwürde nicht herabgesetzt oder diskriminiert werden. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch zutreffend – wenigstens teilweise.
Zwei Passagen in der Kritik
Die Beschwerdeführerin hatte ursprünglich primär zwei Passagen des Textes kritisiert. In einer ersten Passage thematisiert der Autor Beziehungsstatus und sexuelle Orientierung der Bernerin. Stein des Anstosses stellte dabei der Satzteil «wer hält es schon länger aus mit dieser Frau» dar.
Obwohl der Presserat diesen Satzteil als «despektierlich» bezeichnet, müsse eine bekannte Politikerin mit derartig «kritisch kommentierenden Aussagen» rechnen. Entsprechend stelle die Passage für den Presserat keine Verletzung der berufsethischen Normen dar.
Anders verhalte es sich hingegen mit «abwertenden Aussagen» zu Grösse, Körpergewicht und Statur der Nationalrätin. Hier würde der Beitrag die Nationalrätin auf ihre körperlichen Merkmale reduzieren.
Der Text insinuiere, dass Funiciello als Landhockey-Torhüterin einzig aufgrund ihrer Konstitution erfolgreich gewesen sei. Für den Presserat steht fest: «Damit wird sie aufgrund ihrer Körpermerkmale in einer Weise herabgesetzt, die sie in ihrer Menschenwürde verletzt.»
Wie viel darf Satire?
In seinen Ausführungen hebt der Presserat hervor, dass sich der Nebelspalter selbst als «Politmagazin mit Humor» charakterisiere. Dabei setze das Magazin gleichermassen auf «Debatte und Witz».
Tatsächlich kann Satire dazu dienen, Macken und Widersprüchen der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Humor und Witz können zu Gefässen der Selbstreflexion werden und eine spielerische Linse zur Sezierung gesellschaftlicher Eigenheiten bieten.
Die immer wiederkehrende Debatte um die Grenzen der Satire zeigt allerdings sehr deutlich, welche Gefahren das Instrument bergen kann: Oft ist es schwierig, die Trennlinie zwischen Humor und Herabwürdigung eindeutig zu ziehen. Die Frage, wie viel Satire darf, ist durchaus berechtigt.
Gleichzeitig bleibt an dieser Stelle festzuhalten, dass die wohl schärfsten Passagen nicht etwa gegen Funiciello, sondern gegen ihre Widersacher schiessen: Der Autor bezeichnet den Rückgriff auf «diffamierende Disqualifikationen» gegen die SP-Nationalrätin als «indiskutable Schande». Personen, die sich zu solchen Aussagen herablassen, nennt er pointiert «Menschen, die oben mit dem Hals aufhören.»
Diese Tatsachen scheinen den Presserat allerdings wenig zu scheren – und den Autor nicht vor einer Rüge zu schützen. Das Gremium um die ehemalige WOZ-Redaktionsleiterin Susan Boos heisst die Beschwerde gegen den Nebelspalter teilweise gut.