Was Meret Schneider von Andreas Glarner hätte lernen können
X (vormals Twitter) sperrt Grünen-Nationalrätin Meret Schneider. Dabei hatte sie sich nur über Polarisierung lustig machen wollen. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Grünen-Nationalrätin Meret Schneider darf nicht mehr auf X posten.
- SVP-Nationalrat Andreas Glarner schon, aber er ist empört.
- Sollte dies uns – und Meret Schneider – als Lehrstück dienen? Ein Kommentar.
Die übersprudelnde Kreativität und das gesteigerte Mitteilungsbedürfnis sind Nationalrätin Meret Schneider (Grüne/ZH) zum Verhängnis geworden. X (vormals Twitter) sperrt Schneider (vormals lustig) für immer, wegen Aufrufs zur Gewalt. Oder wurde sie einfach falsch verstanden?
Unverständnis ist der Welt Lohn
Denn das versteht nicht einmal der politische Erzfeind Andreas Glarner (SVP/AG). Also, nicht, dass sie das falsch verstehen: Er versteht, dass Schneider gesperrt wird. Er versteht nicht, was an ihrem Post (vormals Tweet) lustig sein soll.
Bevor Sie jetzt sagen «höhöhö, das ist nicht das Einzige, was der gemeine Glarner nicht versteht»: Das ist nicht lustig und dafür könnten Sie bei x-was gesperrt werden. Es ist nämlich diskriminierend gegenüber den Glarnern, die allermeistens nicht gemein sind. Ausserdem verstehen 80 Prozent der Menschheit Ironie nicht, meine ich verstanden zu haben.
Denn um Ironie ging es bei der tapferen Schneiderin. Sie las die Meldung, dass Populismus, Polarisierung und Zersplitterung die grössten Ärgernisse der Schweizer Politik seien. Und fühlte sich genötigt, dies zu kommentieren, indem sie zum Kommentieren aufrief: «Schreib jetzt deine Online-Kommentare» rief sie, beziehungsweise schrieb. Nämlich «warum die Polarisierung und der Populismus wirklich das Hinterletzte sind», was natürlich de facto polarisierend und populistisch wäre.
Selber selbst schuld
Eine Selbstreferenz nennt man das, ein harmloser Schabernack – bis hierhin. Aber wer lieber selbst referiert, dem entgeht diese subtile Finesse. Wohl deshalb schob «@Schneimere», wie die ex-X-Userin hiess, noch einen nach. «… und man die überbezahlten Politfratzen an ihrer eigenen verdammten Bundesterrasse erhängen sollte!!!»
Also näääääin! Sowas sagt man doch nicht. Ich mein, wer sagt denn schon «Politfratzen»? Und welche Anfängerin verwechselt beim gefakten Populismus die subtile Finesse mit der subtilen Suggestion?
«Erhängen», das war X zu direkt, das ist ein expliziter Aufruf zur Gewalt, wenn auch schriftlich gerufen. Die Ironie, dass Meret Schneider unter anderem sich selbst damit anspricht, ist X entgangen. Bei Social Media versteht man nicht nur keinen Spass, sondern zu hundert Prozent auch keine Subtilitäten.
Es ginge auch anders
Denn sonst würde X ja auch checken, dass, wer unschuldig fragt «Wie reagierst du, wenn du einer Fachkraft der Regierung in der Fussgängerzone begegnest» so unschuldig nicht sein kann. Vor allem, wenn darunter ein Video zu sehen ist, wo ein Mann mit einer Art Schwert auf einen Passanten losgeht. Denn unausgesprochenerweise suggeriert dies, dass der gemeine Stimmbürger aus der Bundesverwaltung am liebsten Schaschlik machen würde.
Oder der Typ, der bedauert, dass ausnahmsweise in Berlin gerade keine Klimakleber sich selbst auf den Leim gegangen sind, wenn doch gerade ein Löwe frei herumläuft. Dieses Schwein! Kein Löwe. Aber unausgesprochenerweise suggeriert dies, dass gewisse Menschen so daseinsunwürdig sind, dass sie bei lebendigem Leib von Raubtieren verzehrt werden sollten.
So geht das: Subtil. Denn was nicht ausgesprochen wird, kann auch kein Aufruf sein und wird von Twitter (nachmalig X) weder beanstandet noch gesperrt. Die Ironie an der Geschichte: Beide Tweets wurden von Andreas Glarner retweetet.