Was taugt die neue Mrs. Rahmenabkommen?
Livia Leu ist ab sofort neue Chefunterhändlerin für das Rahmenabkommen mit der EU. In Bundesbern und auf der Welt ist sie keine Unbekannte.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit Livia Leu übernimmt eine breit respektierte Diplomatin die Verhandlungen mit der EU.
- Ob beim Rahmenabkommen nun alles anders wird, bezweifeln Aussenpolitiker.
- Andere glauben, ein Wechsel könne die richtigen Signale nach Brüssel senden.
Ah ja, Livia Leu: Aussenpolitiker in Bundesbern wissen sofort, wer das ist. Wegen «dieser Iran-Sache», wegen Vorladungen in die Aussenpolitische Kommission – und weil sie seit heute «Mrs. Rahmenabkommen» ist.
Livia Leu ist die neue Chefunterhändlerin mit der EU und soll die Angelegenheit endlich zum Abschluss bringen. Sie ersetzt den in Ungnade gefallenen Roberto Balzaretti. Leu wird rundum attestiert, eine exzellente Diplomatin zu sein. Ob mit ihr beim Rahmenabkommen alles anders wird, da gehen die Meinungen aber auseinander.
Teheran, Washington, Paris
«Diese Iran-Sache» war einerseits Leus Amtszeit als Botschafterin in Iran. Andererseits die ihr dadurch zufallende Aufgabe als Vertreterin der Interessen der USA gegenüber Iran. Als solche hat sie unter anderem dazu beigetragen, dass drei US-Bürger nach jahrelanger Gefangenschaft freikamen. Danach hatte Leu einen Chefposten im Staatsekretariat für Wirtschaft (Seco) inne und war ab 2018 Botschafterin in Frankreich.
Für SVP-Nationalrat Roland Büchel hat Leu ein beeindruckendes Resumée. «Ganz sicher nicht die Hinterletzte im Dienst, oder anders gesagt: Sie gehört zur diplomatischen Elite.» Kollege Hans-Peter Portmann (FDP) pflichtet ihm bei. «Sie ist sehr strukturiert, mit sehr grossem Erfahrungsschatz angesichts der vielen diplomatischen Aufgaben, die sie schon gehabt habt.»
Die kann das
Portmann betont, Leu habe sehr klare Linie einer Neutralitätspolitik, ohne dass irgendwelche Ideologien dahinter wären. Entsprechend ist er überzeugt, dass sie das neue Amt packt: «Ich traue ihr das zu.» Etwas weniger auf die Äste hinaus wagt sich Büchel: «Sie hat saubere, gute Arbeit geleistet über die Jahre. Ich gehe davon aus, dass man ihr Dossier genau angeschaut hat.»
Entsprechend zuversichtlich ist Büchel, dass mit Livia Leu einiges anders wird als noch unter Roberto Balzaretti. «Einen Wechsel braucht es. Wenn sie diese gute Diplomatin ist, dann kann das nur dienlich sein.»
Livia Leu ist der neue Coach
Das sieht Portmann aber schon im Ansatz anders, denn der Wechsel beim Rahmenabkommen war für ihn keineswegs zwingend. «Ich wüsste nicht was, Balzaretti falsch gemacht hätte, er ist ein Bauernopfer. Gewisse Partei- und Gewerkschafts-Exponenten werden eine 180-Grad-Pirouette machen und das Gesicht wahren wollen, weil jetzt Balzaretti weg ist.»
Das werde dann dargestellt werden als ob «dank der neuen Person» ein Durchbruch gelungen sei. «Es ist wie im Sport: Man wechselt den Trainer aus, obwohl der nicht wirklich schuld ist am schlechten Abschneiden des Clubs.»
Make-up für die Politik
Es werfe kein gutes Licht auf die Schweiz als Verhandlungspartner, wenn jetzt schon die fünfte Person nach Brüssel geschickt werde. Im Sport kann ein Trainerwechsel auch ein Signal an die Mannschaft sein. Dass jetzt ein Ruck durch die Reihen gehe bei der Beziehung Schweiz-EU, glaubt Portmann indes nicht.
«Ich sehe eher, dass das in Brüssel mit Nasenrümpfen aufgenommen wird. Die wollen nicht noch einmal alles von Grund auf nochmals durchkauen, was man seit sechs Jahren geklärt hat.» Das Signal sei primär nach innen gerichtet. «Es ist etwas Make-up für die Schweizer Politik und ein trauriges Machtspiel, das hier läuft.»
«Weniger Show, mehr Arbeit»
Genau solche Signale will Büchel aber in Zukunft nicht mehr sehen. Ihm bleibt die Ära Balzaretti in unguter Erinnerung, jetzt soll alles anders werden: «Weniger Show, mehr Arbeit. Was das EDA landes-intern abzieht, ist langsam peinlich geworden, mit Roadshows und so weiter. Die Energie muss in Brüssel eingesetzt werden, nicht in der Schweiz.»
Vorteil Livia Leu, glaubt Büchel: «Es braucht eine neue Person, nur schon, weil die ‹alte› den Rahmenvertrag ausgearbeitet hat.» Livia Leu müsse unmissverständlich klar machen, was nicht gehe: «In erster Linie die fast automatische Rechtsübernahme und dann natürlich der Gerichtshof.» Seine Einschätzung Leus ist auch eine Abqualifizierung Balzarettis: «Eine etwas stillere Schafferin tut gut in dieser Situation.»