Weltflüchtlingstag: Schweizerische Flüchtlingspolitik «unmenschlich»

Heute Sonntag ist Weltflüchtlingstag. In Bern wird an diesem Tag den Geflüchteten gedenkt, welche auf ihrer Flucht gestorben sind.

Weltflüchtlingstag Roth
Für den Weltflüchtlingstag macht die Berner Heiliggeistkirche auf die Tausenden von toten Geflüchteten aufmerksam, welche auf ihrer Flucht nach Europa gestorben sind. Franziska Roth (SP/SO) hat mit Nau.ch über die Schweizer Geflüchtetenpolitik gesprochen. - Nau.ch/Aydemir Hüseyin

Das Wichtigste in Kürze

  • Am heutigen Sonntag, 20. Juni, ist Weltflüchtlingstag.
  • Zahlreichen europäische Länder machen auf die Anliegen von Geflüchteten aufmerksam.
  • Nau.ch hat mit Franziska Roth und Sara Schmid (beide SP) gesprochen.

Seit Tausenden von Jahren flüchten Menschen aus verschiedensten Gründen. Krieg, Klima, politische Verfolgung und die Wirtschaftskrise führen dazu, dass Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Im letzten Jahrzehnt hat unter anderem der syrische Bürgerkrieg zu einer massiven Fluchtwelle beigetragen.

Die Flucht überleben aber nicht alle. Manche ertrinken im Mittelmeer, andere erfrieren in Bosnien oder werden von der Grenzwache so misshandelt, dass sie sterben. Franziska Roth, Solothurner SP-Nationalrätin, spricht am Gedenktag mit Nau.ch.

«Unsere Asylpolitik zwingt sie, ihr Leben zu riskieren»

Die europäische und schweizerische Flüchtlingspolitik sei «unmenschlich und unsolidarisch» und «ein Trauerspiel». Für das Sterben Tausender an der Grenze Europas seien nicht Naturgewalten oder Schlepperorganisationen verantwortlich, sondern: «eine Asylpolitik, die Schutzsuchende zwingt, ihr Leben zu riskieren.»

Sie bleibe aber optimistisch, sagt Roth. Und schlägt auch konkrete Lösungen vor: «Ich halte es hier eng mit den NGOs und fordere wie sie: Um die humanitäre Katastrophe entlang der Mittelmeerroute zu beenden, braucht es zwingend mehr Plätze für Resettlementflüchtling

Die Schweiz solle sich für den Aufbau eines «dauerhaften, europäisch organisierten Seenotrettungssystems» engagieren. Überdies müsse die Schweiz aber auch dafür sorgen, dass die Menschenrechtslage in den Herkunftsländern verbessert werde. Auch will sich die Solothurnerin für das Botschaftsasyl starkmachen. Die Wiedereinführung dieses Systems wird vom Bundesrat jedoch abgelehnt.

Die Weltgemeinschaft schaut zu – oder weg

Obwohl so viele Menschen wie noch nie auf der Flucht seien, gemäss UNO 82,4 Millionen Menschen, schaue die Weltgemeinschaft grösstenteils zu oder weg, kritisiert Sara Schmid, Berner SP-Stadträtin.

Die europäische Flüchtlingspolitik sei «beschämend». Alle würden die Bilder der katastrophalen Zustände in den Flüchtlingscamps kennen. Auch wisse man, dass jährlich teils tausende Menschen beim Versuch nach Europa zu gelangen im Mittelmeer ertrinken. «Statt aber eine gemeinsame, menschenwürdige Lösung im Umgang mit der Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten zu finden, baut Europa ihre ‹Festung› aus: Sie stärkt ihre Aussengrenzen und verlagert das ‹Problem› nach draussen, zu den Drittstaaten.»

Schweiz wird ihrer humanitären Tradition nicht gerecht

«Die Schweiz wird ihrer humanitären Tradition und Werten aus meiner Sicht nicht gerecht», so Schmid. Die Schweiz setze etwa die Dublin-Verordnung sehr strikt an, obwohl sie bei besonders verletzlichen Flüchtlingen Spielraum hätte. «Aber auch die teils unmenschliche Unterbringung von Asylsuchenden und Abgewiesenen oder die strengen Hürden bei der Familienzusammenführung schockieren mich.»

Ausserdem spricht sich Schmid für die Wiedereinführung des Botschaftsasyls aus. Damit würden Menschen mit berechtigtem Asylanspruch sich nicht illegal mit Schlepperbanden auf lebensgefährlichen Fluchtrouten nach Europa kämpfen müssen.

Konkret würde Schmid die Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben verbessern. «Als Lokalpolitikerin finde ich daher gerade Projekte wie die «City Card» sehr wichtig oder das Stimmrecht für alle – auf allen politischen Ebenen. Besonders am Herzen liegt mir der diskriminierungsfreie Zugang zu Bildung und Arbeit.»

Es brauche zwar politische Lösungen, aber jede Einzelperson könne etwas beitragen: Sei es sich in einem Projekt zu engagieren, politische Forderungen zu unterstützen, für eine Organisation zu spenden oder vorurteilsfrei auf Menschen zuzugehen.

Zur Person

Sara Schmid ist Politologin, Berner Stadträtin (SP) und Co-Präsidentin des Vereins voCHabular. Der Verein setzt sich mit seinen Projekten gemeinsam mit Geflüchteten für eine inklusive, offene und solidarische Gesellschaft ein.

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