XBB.1.5: Die harmlose Super-Variante des Coronavirus

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

XBB.1.5 heisst die neuste Variante des Coronavirus, die für Schlagzeilen sorgt. Sie ist nicht wahnsinnig gefährlich, aber ziemlich perfid.

Coronavirus
Coronavirus: Menschen laufen in Zürich mit Masken durch die Stadt. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Variante XBB.1.5 des Coronavirus breitet sich schnell aus.
  • Sie unterscheidet sich stark von ihren Vorgängern.
  • Trotz meist milderen Verläufen gilt es einige Dinge zu bedenken.

Für einmal scheint China nicht verantwortlich zu sein, auch wenn das Reich der Mitte aktuell für Kontroversen sorgt, mit seiner Covid-Strategie. Der jüngste Neuzugang in der Coronavirus-Familie heisst XBB.1.5 und ist zuerst in den USA nachgewiesen worden. Gesundheitsexperten von WHO bis Karl Lauterbach zeigen sich beunruhigt.

Karl Lauterbach
Der Gesundheitsminister Deutschlands, Karl Lauterbach. - AFP/Archiv

Wie so oft weiss man noch nicht alles, was man gerne wissen würde – aber einige Punkte sollten auch der Schweiz zu denken geben. Denn eigentlich möchte man annehmen, man wisse mittlerweile, wie mit einer Pandemie umzugehen ist. Nur scheint man dies bereits wieder vergessen zu haben.

Sehr ansteckend, aber nicht sehr krankmachend

In Europa machen die XBB-Fälle erst wenige Prozent aus. Zahlen aus anderen Ländern zeigen aber, dass sich der Anteil sehr schnell, im Wochenrhythmus, verdoppelt. Das liegt daran, dass sich XBB.1.5 enorm gut an menschliche Zellen binden kann.

Coronavirus XBB.1.5 Varianten
Die Anteile der Varianten des Coronavirus in einer Reihe von Ländern, mit XBB.1.5 und anderen XBB-Subtypen in Lila. - ourworldindata.org / GISAID

Zwar scheinen die Erkrankungen vergleichsweise mild zu verlaufen. In den USA, wo XBB.1.5 für rund die Hälfte der Covid-Fälle verantwortlich ist, sind die Hospitalisierungs-Zahlen dennoch leicht angestiegen. Nicht dramatisch, aber auch das US-Gesundheitssystem hätte nichts dagegen, wenn man für einmal auf zusätzliche Patienten verzichten könnte.

Keine Medis, keine Immunität

Die vielen Ansteckungen, aber auch Labor-Experimente zeigen: XBB.1.5 schert sich wenig um bereits vorhandende Coronavirus-Antikörper. Der Nutzen der «alten» Impfstoffe liegt gemäss Studien unter der Nachweisgrenze. Die auf Omikron angepassten Impfstoffe schützen immerhin ein bisschen, aber XBB.1.5 gilt trotzdem als «immun-evasiv»: Es ist die Variante, vor der uns die Virologen immer gewarnt haben.

XBB.1.5 Coronavirus Impfung
DIe Immunantwort gegen verschiedene Virus-Varianten bei einfach, doppelt und mit Omikron-angepasstem Impfstoff geboosterten Personen. - NEJM

Leider gilt Gleiches auch für Covid-Medikamente wie Evusheld oder Xevudy, die mit «monoklonalen Antikörpern» funktionieren. Genau wie Antikörper aus früheren Erkrankungen, selbst mit den letzten Omikron-Varianten, passen diese nicht auf die Proteine von XBB.1.5.

Was für ein Super-Virus ist denn dieses XBB.1.5?

XBB.1.5 sollte uns zu denken geben, weil es anders ist als die andern. Es ist nicht einfach eine weitere Omikron-Mutation, sondern eine Kombination von zwei verschiedenen Omikron-Varianten. Solche rekombinante Viren sind im Verlauf der Pandemie zwar immer wieder aufgetreten, aber hatten offenbar nicht die perfekte Kombination von XBB.1.5.

XBB.1.5
XBB.1.5 unterscheidet sich sehr stark von bisherigen Coronavirus-Varianten. - Screenshot Twitter

Gemäss Virologen unterscheidet sich XBB.1.5 nun so sehr von Omikron, wie sich Omikron vom Original-Wuhan-Typ unterscheidet. Je nach Kriterien ist es damit so weit weg vom eigentlichen Sars-CoV-2, wie dieses vom Erreger der Sars-Epidemie anno 2003 ist.

Hoffen ist gut, reicht aber nicht

Solches führt online zu Spekulationen, ob man bei XBB.1.5 nicht eher von einem neuen Virus sprechen müsse. Also ein Sars-CoV-3, welches die Krankheit Covid-22 auslöst. Sehr verdächtig findet man, dass die WHO keinen neuen griechischen Buchstaben für die Varianten-Bezeichnung verwenden will. Angeblich sei dies ein politischer Entscheid, um nicht Ängste zu schüren.

WHO
WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Foto: Salvatore Di Nolfi/KEYSTONE/dpa - dpa-infocom GmbH

Weitaus relevanter als die Benamsung des Proteinklümpchens dürfte aber sein, wie ernst man selbiges nimmt. Nur weil durch die Ausbreitung der neuen Variante scheinbar keine akute Gefahr besteht, sollte nicht allein auf das Prinzip Hoffnung abgestützt werden.

Coronavirus: Fortsetzung folgt

Gut möglich, dass der Winter nicht mehr als eine Häufung «grippe-ähnlicher Infekte» bringt. Aber wissen tun wir das nicht. Weitere Mutationen können folgen und Impfungen nützen heute noch, in zwei Monaten vielleicht nicht mehr. Derweil sind die Spitäler auch ohne Covid am Anschlag, getestet wird kaum noch und die Maske prangt nur ausnahmsweise im Gesicht.

Vor zwei Jahren konnte man noch Verständnis aufbringen für Hauruck-Übungen. 2023 sollten Behörden und Gesellschaft weiser geworden sein. Rekombinante Viren entstehen schliesslich dann, wenn viele unbewusst angesteckte Menschen mit vielen anderen unbewusst angesteckten Menschen Kontakt haben können. Wenn zwei verschiedene Viren-Varianten in ein und derselben Zelle vorhanden sind: Denn Viren halten sich nicht ans Social Distancing.

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