Zertifikatsgegner: Bundesrat wartet aus «taktischen Gründen» zu
Die aktuelle Lage erfordere keine neuen Massnahmen, hat der Bundesrat entschieden. Das sorgt kurz vor der Abstimmung über das Covid-19-Gesetz für Kontroversen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat wartet mit strengeren Corona-Massnahmen noch zu.
- Das Nein-Lager in der Abstimmung über das Covid-19-Gesetz erhebt heftige Vorwürfe.
- Nicht die Pandemie, sondern taktische Gründe seien für den Bundesrat ausschlaggebend.
Kein Corona-Entscheid seit Wochen, dafür stark ansteigende Fallzahlen: Gespannt erwartete man die Neuigkeiten aus der Sitzung des Bundesrats. Die kamen zwar, aber der Bundesrat hatte entschieden, nicht zu entscheiden.
Dies irritiere nicht nur Kantone und Parlamentarier. Auch die Gegner des Covid-19-Gesetzes witterten politische Tricksereien. Immerhin wird am Sonntag erst einmal noch über besagtes Gesetz und damit das Covid-Zertifikat abgestimmt.
«Taktische Gründe»
David Trachsel, Präsident der Jungen SVP und Wortführer des Referendumskomitees gegen das Zertifikat, sieht sich bestätigt. Der Entscheid zeige die Willkür der aktuellen Massnahmenpolitik auf; Begründungen, Rechtfertigungen und Festlegungen seien völlig irrelevant. «Aus taktischen Gründen wartet der Bundesrat mit dem Massnahmenhammer die Abstimmung von Sonntag ab.» Jetzt habe die Schweiz die Chance, dem ein Ende zu setzen.
Auch Hernâni Marques vom Komitee «Geimpfte gegen Covidzertifikat» kritisiert Gesundheitsminister Alain Berset sowohl inhaltlich wie politisch. Verglichen mit Trachsel legt er gar noch ein Brikett nach: «Der Typ checkts einfach nicht.»
Vorwurf: Berset nehme Tote in Kauf
Einerseits, so Marques, laufe der Bundesrats-Entscheid den Einschätzungen der Experten zuwider. «Die Taskforce rechnet damit, dass nach den Fallzahlen auch die Hospitalisationen innert einer Woche um 40 Prozent ansteigen werden. Das läuft auf eine Katastrophe heraus.»
Als Grund sieht auch Marques politisches Kalkül: «Der Bundesrat hat Angst vor der Abstimmung und wartet deshalb ab.» Eine Strategie, die Marques scharf verurteilt: «Damit nimmt er Tote in Kauf, nur um am Sonntag ein Nein zu verhindern.»
Berset: «Nein, die Frage kommt immer wieder»
Auf solche Verdächtigungen angesprochen, weist diese Bundesrat Berset umgehend zurück. Abstimmungstaktik gebe es nicht, auch wenn diese Frage immer wieder gestellt werde. «Ich habe immer wieder daran erinnert: Unser Massstab sind die IPS-Betten.» Die Auslastung der Intensivstationen mit Covid-Patienten sei aber «aktuell relativ tief».
In einer völlig anderen Situation, etwa mit dreimal so hohen Zahlen, würde der Bundesrat auch anders entscheiden, erläutert Berset. «Mit oder ohne Abstimmung, das würde keine Rolle spielen!» Ob nächsten Freitag Entscheide gefällt werden, liess Berset offen. «Wo stehen wir in zehn Tagen – ich weiss es nicht.»