Zum Jubiläum 175 Jahre Schweiz legt sich das Parlament ins Zeug
Das Parlament begeht die Feierlichkeiten zu 175 Jahre Bundesverfassung auf seine Art. Das muss man gesehen haben.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Parlament begeht die 175-Jahr-Feierlichkeiten auf seine Art und Weise.
- Ein solches Schauspiel hatte man in diesem Saal noch nicht erlebt.
- Die Parlamentarier übertrafen sich selbst. Ein Kommentar.
Die «moderne Schweiz» wurde 175 Jahre alt. Gestern. Ein Jubiläum, das mit, für ein nationales Parlament, mal etwas speziellen Darbietungen begangen werden sollte. Und wir wurden nicht enttäuscht. Nationalratspräsident Martin Candinas musste sein Glöggli abgeben; der gesamte Bundesrat war da und durfte nichts sagen; ausnahmsweise durften nur zwei Clowns Floskeln und Kalauer dem Parlament um die Ohren schlagen; der vom Online-Portal Nau.ch bekannte Politologe Claude Longchamp heizte dem Publikum ein.
Performend und gewählt
Die so vorgewärmten Volksvertreterinnen und Volksvertreter wussten also, was sie zu tun hatten, als auch noch Kabarettist Joachim Rittmeyer seine Aufwartung machte. Sie performten eine spezielle Darbietung, wie sie der Nationalratssaal in 175 Jahren nicht gesehen hat. Niemand versteckte sich pseudo-geschäftig hinter seinem Laptop und tat trotzdem dergleichen, als würde man zuhören.
Grünliberalen-Präsident Jürg Grossen vergoss Rotz und Wasser, als müsste er die Schweizer Speicherseen im Alleingang füllen. Dabei half ihm doch bereits Irène Kälin (GPS/AG) tatkräftig mit. Sandra Locher Bengeruel (SP/GR) holte sich beinahe eine Beule am Pult, wahrscheinlich weil die Kollegen Fabian Molina und Baptiste Hurni in der Reihe vor ihr es schaffen, sich nicht von des jeweils anderen Gefühle beeinflussen zu lassen. Eine Parforce-Leistung sondergleichen.
Wer zuletzt singt, singt am besten
Kein Halten gab es dann, als Rittmeyer seine neu vertextete Nationalhymne von sich gab. Sogar Nationalhymnen-Puristen der SVP wie Hess, Schwander, Götte, Reimann oder Egger könnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Derweil sich Molina immer noch nicht von der stoischen Ernsthaftigkeit Hurnis anstecken liess. Grossen verhindert gekonnt eine Beule durch rechtzeitiges Abstossen mit der geballten Faust. Das gibt zwar Abzug in der Stilnote, aber die Ausführung war sehr energieeffizient.
Applaus, Ende des ersten Akts. Aber das Parlament gibt noch eine Zugabe. Innig vereint, singt man Rittmeyers Hymnen-Variante. Die Bundesräte amten als Punkterichter: Parmelin und Berset kontrollieren die Textsicherheit, Keller-Sutter loggt ein. Zum krönenden Abschluss, insofern dies in der direkten Demokratie überhaupt möglich ist, legte Thomas Aeschi (SVP) noch ein Solo hin.
Hochkonzentriert! Wenn nicht sogar dreifach. Aeschi sang nämlich den Original-Text und liess sich durch trotz hundertfachen Ablenkungsversuchs nicht beirren. Das verdient ständige Ovationen! Dafür durfte er dann sitzenbleiben, als alle anderen fürs Applaudieren aufstanden.
Ein Stück harte Arbeit
Warum diese performerischen Höchstleistungen und warum Aeschi als einziger einen Solo-Auftritt hatte – keine Ahnung. Ich mein, wenn das Parlament schon seine Arbeit nicht macht und stattdessen lieber die Schweiz abfeiert, muss halt eben der geneigte Journalistentribünensitzer einspringen. Ich habe keine Ahnung, weil ich mich pseudo-geschäftig hinter meinem Laptop versteckte und nur dergleichen tat, als würde ich zuhören.
Und es gab nicht einmal Sitzungsgeld dafür.