Aiwanger bleibt im Amt: Ablehnung und Zustimmung in Deutschland
Nach der Verkündung, dass Hubert Aiwanger in seinem Amt bleibt, zeigt sich die politische Elite in Deutschland gespalten.
Nach der Entscheidung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), an seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) festzuhalten, bleiben in Deutschland die Reaktionen von jüdischen Vertretern bis hin zum Bundeskanzler gespalten.
«In der Gesamtbetrachtung ist die Entscheidung des Ministerpräsidenten für mich nachvollziehbar», sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, am Montag laut Mitteilung.
Aiwanger bleibt trotz Flugblatt-Affäre in Amt
Der Umgang Aiwangers mit den Vorwürfen um ein antisemitisches Flugblatt aus den 1980er Jahren bleibe aber irritierend. «Ich vermisse bisher bei Hubert Aiwanger eine wirkliche innere Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und seinem Verhalten zur Schulzeit.»
Söder hatte am Sonntag verkündet, Aiwanger trotz der Flugblatt-Affäre nicht zu entlassen und die Koalition mit den Freien Wählern auch nach der Landtagswahl fortsetzen zu wollen. Er legte Aiwanger nahe, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und etwa Gespräche mit jüdischen Gemeinden zu suchen. In Deutschlands flächenmässig grösstem und wirtschaftsstärksten Bundesland wird am 8. Oktober ein neues Parlament gewählt.
Scholz reagiert verhalten
Eher ausgleichend war die Reaktion von des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD). Der Kanzler habe Söders Entscheidung «zur Kenntnis genommen», sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag auf Nachfrage bei der Regierungspressekonferenz in Berlin. «Markus Söder ist offensichtlich der Ansicht, dass die Angaben von Herrn Aiwanger ausreichen, und er möchte ungeachtet der erhobenen Vorwürfe der letzten Tage und Wochen weiterhin mit ihm zusammenarbeiten.»
Wesentlich kritischer zeigte sich SPD-Chef Lars Klingbeil auf dem Volksfest Gillamoos im niederbayerischen Abensberg: «Der hat den Buckel gemacht vor dem Aiwanger», sagte Klingbeil mit Blick auf Söder.
Lob und Ignoranz
Auf dem mehr als 700 Jahre alten Fest auf dem Gillamoos, das für die politischen Reden am letzten Tag überregional bekannt ist, meldete sich am Montag die Politik-Prominenz zu Wort. Während Söder und Aiwanger in ihren Beiträgen nicht mehr direkt auf die Affäre eingingen, lobte CDU-Chef Friedrich Merz beim gemeinsamen Auftritt mit dem Ministerpräsidenten dessen Krisenmanagement: «Sehr gut, genauso war's richtig, das so zu machen.»
Zögern wird Aiwanger angelastet
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nannte das Verhalten Aiwangers «nicht überzeugend». «Es geht hier nicht um die Vergangenheit von Herrn Aiwanger, sondern es geht darum, wie er damit heute umgeht», sagte Djir-Sarai am Montag in Berlin.
Söder hatte am Sonntag erklärt, eine Entlassung wäre nicht verhältnismässig gewesen. Aiwanger hätte die Vorwürfe aber früher, entschlossener und umfassender aufklären müssen. Am Donnerstag beschäftigt sich ein Ausschuss im bayerischen Landtag in einer von Grünen, SPD und FDP beantragten Sondersitzung mit dem Thema.