Alain Berset: Seine Chancen auf Europa-Job steigen
Eine überraschende Wendung beflügelt den Wahlkampf von Alain Berset für den Topjob im Europarat. Schweizer Abgeordnete machen beim Endspurt mit.
Das Wichtigste in Kürze
- Alain Bersets Chancen, Generalsekretär des Europarats zu werden, sind erneut gestiegen.
- Dem Kandidaten Estlands kommt wohl seine eigene Ministerpräsidentin in den Weg.
- Schweizer Parlamentarier koordinieren sich überparteilich mit Berset – via Whatsapp.
Seit alt Bundesrat Alain Berset ankündigte, als Generalsekretär des Europarats zu kandidieren, gibt er im Wahlkampf alles. 26 Länder will er – mit Unterstützung des EDA – besucht und mit über 600 Parlamentsmitgliedern gesprochen haben.
Selbst auf dem Bürgenstock weibelte Berset, denn am kommenden Dienstag gilt es ernst: Der Europarat, bestehend aus Abgeordneten seiner 46 Mitgliedstaaten, wählt seinen neuen Chef.
Nur noch Zwei- statt Dreikampf?
Ebenfalls auf dem Bürgenstock anwesend war Bersets Konkurrent Didier Reynders. Der Belgier ist wie Berset ehemaliger Minister und aktuell EU-Kommissar für Justiz. Er hat immerhin 22 Länder besucht.
Prominenter Abwesender war der dritte Kandidat, Indrek Saar. Für den SP-Nationalrat Pierre-Alain Fridez ist es «kaum denkbar», dass dieser gewählt würde, wie er gegenüber CH Media sagt.
Denn: Saar ist aus Estland. Am Montag wurde aber auch klar, dass die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas neue EU-Aussenbeauftragte wird. Zwei europäische Topjobs für ein Land mit 1,3 Millionen Einwohnern? Das hält Fridez, der auch zur Schweizer Delegation beim Europarat gehört, für praktisch ausgeschlossen.
Die grosse Frage ist nun, an wen Saars Stimmen eher gehen – Reynders oder Berset. Der Este hatte die Unterstützung der Fraktion der Sozialisten, Demokraten und Grünen (SOC). Dass diese nun für den Sozialdemokraten Berset stimmen, wäre zwar naheliegend. Seine Kandidatur gegen Saar hat aber viele auch brüskiert.
Wahlkampf mit Flammkuchen und Whatsapp-Gruppe
Nun gehe es um jede Stimme im Zweikampf Berset gegen Reynders, sagt SVP-Nationalrat Roland Büchel zu CH Media. Alain Berset braucht, abgesehen von der SOC, vor allem die Stimmen der zweitgrössten Fraktion im Europarat, der Europäischen Volkspartei (EVP). Hier weibelt Nationalrat Nik Gugger von der gleichnamigen Schweizer EVP.
Derweil lädt Didier Reynders am Sonntag den ganzen Europarat in die «Brasserie Au Canon» zu Getränk und Flammkuchen. Aber auch zu einem Anlass mit Alain Berset sind die 612 Parlamentsmitglieder eingeladen.
Auf Schweizer Seite ziehen alle Parteien am gleichen Strick. Die Schweizer Delegation besteht aus vier SVPlern, drei SPlern, je zwei Mitgliedern der FDP- und Mitte-EVP-Fraktion sowie einer Grünen. Um die Lobby-Arbeit gezielt zu koordinieren, habe man zusammen mit Berset eine Whatsapp-Gruppe eingerichtet.
Wichtig sei zunächst, dass es Alain Berset in den zweiten Wahlgang schaffe, sagt Nik Gugger. Dann habe er reelle Chancen auf die Wahl als Generalsekretär des Europarats.
Mit dem Estland-Handicap von Indrek Saar sind diese Chancen klar gestiegen. Gugger ist optimistisch, denn: «Er ist der Beste.»