USA: Russland will Vorwand für Einmarsch in der Ukraine schaffen
Russland arbeitet nach Angaben der USA daran, einen Vorwand für einen Einmarsch in der Ukraine zu schaffen.
Das Wichtigste in Kürze
- Baerbock und Le Drian planen Reise ins ukrainische Konfliktgebiet.
«Wir haben Informationen, die darauf hinweisen, dass Russland bereits eine Gruppe von Agenten aufgestellt hat, um einen Einsatz unter falscher Flagge in der Ostukraine auszuführen», sagte Regierungssprecherin Jen Psaki am Freitag. Moskau wies diese Angaben als «haltlos» zurück. Derweil starteten Deutschland und Frankreich einen neuen Vermittlungsversuch.
Der Westen befürchtet angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze zur Ukraine, dass Russland nach der Annexion der Krim 2014 derzeit einen Einmarsch im Nachbarland vorbereitet. Eine Gruppe russischer Agenten sei «im Häuserkampf und im Einsatz von Sprengstoff ausgebildet» worden, «um Sabotageakte gegen Russlands eigene Stellvertreterkräfte zu verüben», sagte Psaki.
«Russland legt die Grundlagen, um die Option zu haben, einen Vorwand für eine Invasion zu erfinden.» Ziel sei es, der Ukraine vorzuwerfen, einen «unmittelbar bevorstehenden Angriff auf russische Kräfte in der Ostukraine vorzubereiten». Die russischen Streitkräfte würden planen, mit diesen Aktivitäten einige Wochen vor einem militärischen Einmarsch zu beginnen, der «zwischen Mitte Januar und Mitte Februar» starten könnte.
Die Aussagen aus Washington stiessen in Moskau auf Empörung. «All diese Erklärungen waren bisher haltlos und wurden durch nichts bestätigt», sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitagabend der staatlichen Nachrichtenagentur Tass.
Derweil planten Bundesaussenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr französischer Kollege Jean Yves Le Drian eine gemeinsame Reise in das Konfliktgebiet in der Ostukraine, wie Le Drian am Freitag zum Abschluss des EU-Aussenministertreffens im westfranzösischen Brest bekannt gab. Le Drian sagte, er und Baerbock hätten die Ukraine-Reise «in den kommenden Tagen» geplant.
Baerbock selbst sagte dazu, sie wolle in dem Konflikt «Gesprächskanäle auf allen unterschiedlichen Ebenen» nutzen. Dafür brauche es viel Ausdauer, Geduld und «starke Nerven». Sie nannte auch das sogenannte Normandie-Format, in dem Deutschland und Frankreich seit Jahren Vermittlungsversuche zwischen Russland und der Ukraine unternehmen.
Die Ukraine setzt allerdings dem Augenschein nach grössere Hoffnungen auf die USA: Ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj schlug einen Dreiergipfel per Videokonferenz mit US-Präsident Joe Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor. Derweil brachten mehrere US-Beamte im Gespräch mit Journalisten die Möglichkeit ins Spiel, bei einer Eskalation des Konflikts den UN-Sicherheitsrat anzurufen.
Die Ukraine war in der Nacht zum Freitag zur Zielscheibe eines massiven Cyberangriffs geworden, bei dem eine Reihe von Regierungs-Webseiten lahmgelegt wurden. Dort waren vorübergehend die Worte «Habt Angst und rechnet mit dem Schlimmsten» in ukrainischer, russischer und polnischer Sprache zu lesen.
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte Kiew daraufhin eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Internet-Sicherheit zu. In den kommenden Tagen solle ein entsprechendes Abkommen geschlossen werden, erklärte er. Auch die EU und die Bundesregierung kündigten Unterstützung an.
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell nannte es «denkbar», dass Russland hinter dem Cyberangriff steckt. In Brüssel wurde deshalb eine Dringlichkeitssitzung des Politischen und Sicherheitskomitees der EU einberufen.
Österreichs Aussenminister Alexander Schallenberg nannte den Cyberangriff «wahnsinnig besorgniserregend». Er äusserte die Befürchtung, dass die Attacke ein Vorbote für militärische Aktivitäten sein könnte.
Die Krise in der Ukraine war das zentrale Thema auf dem dreitägigen Treffen der Verteidigungs- und Aussenminister der EU in Brest. Borrell sagte zum Abschluss: «Die EU ist bereit, auf eine mögliche Aggression (Russlands) sofort zu reagieren.» Aber die Europäer zögen Verhandlungen natürlich vor.
In dieser Woche war eine umfangreiche Krisendiplomatie in Gang gesetzt worden, um die explosive Lage zu entschärfen: Zunächst gab es bilaterale Gespräche zwischen den USA und Russland in Genf, dann tagte erstmals seit gut zwei Jahren der Nato-Russland-Rat, zudem gab es Verhandlungen im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien.