Brexit

Brexit: UK-Bürger in der Schweiz sorgen sich um Zukunft

Andri Morrissey
Andri Morrissey

Bern,

Um Mitternacht tritt das Vereinigte Königreich aus der EU aus. Vier in der Schweiz lebende UK-Bürger äussern ihre Zukunfts-Sorgen nach dem Brexit.

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Eine Brexit-Gegnerin bei einer Demonstration in London am Donnerstag. - AP

Das Wichtigste in Kürze

  • Um Mitternacht tritt das Vereinigte Königreich endgültig aus der EU aus.
  • Nau.ch hat mit diversen Bürgern aus verschiedenen Regionen Grossbritanniens gesprochen.

Um Mitternacht ist es soweit. Nach vier Jahren Verhandlungen, mehreren verstrichenen Ultimaten und zwei Neuwahlen. Nun wird das Vereinigte Königreich in der Nacht auf Samstag aus der EU endgültig austreten.

Auch in der Schweiz leben viele Bürger des Vereinigten Königreichs. Und auch hier gehen die Meinungen auseinander. Nau.ch hat vier in der Schweiz lebhafte UK-Bürger aus den verschiedenen Regionen des Königreichs befragt.

Wut und Enttäuschung auch hierzulande zu spüren

Viele Bürger Grossbritanniens fühlen sich durch den Brexit-Prozess hintergangen. Professor David Britain von der Englisch-Abteilung der Uni Bern befürchtet, dass sich Grossbritannien mit dieser Aktion heftig ins Bein schiesse. Er persönlich ist kein Unterstützer des Brexits und bezeichnet sich selber als Europäer.

Brexit
Professor David Britain von der Universität Bern ist ein Gegner des Brexit. - zVg

«Es ist offensichtlich, dass unsere Mitgliedschaft bei der EU das alltägliche Leben der britischen Bevölkerung über die letzten Jahrzehnte verbesserte. Das Land konnte eine starke Belegschaft aus der EU hinein holen», ist er überzeugt.

Mit Premierminister Boris Johnsons Plänen zum «Post-Brexit» wird eine starke EU-Belegschaft wohl Geschichte sein. Mehrere EU-Staatsbürger kämpfen momentan um des Recht, in Grossbritannien zu bleiben.

Brexit - London
Boris Johnson, Premierminister von Grossbritannien, verlässt die 10 Downing Street. - dpa

Britain drückt auch Besorgnis für die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Grossbritannien und der EU aus.

Auch Ex-Professor Richard Watts derselben Uni ist masslos enttäuscht über den Brexit-Prozess. Er erinnert sich an Grossbritanniens EU-Beitritt und dessen Vorteile in den 70er Jahren. «Brexit ist ein von Rechtsradikalen unterstützter ‹Zurück-In-Die-Zukunft-Schachzug›», glaubt er.

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Richard Watts war über 20 Jahre Professor für englische Linguistik an der Uni Bern. - zVg

Watts verurteilt auch englische Mythen über die Geopolitik Europas. Darunter zum Beispiel die sogenannte «grosse europäische Invasion». Diese Verschwörungstheorie behauptet, die Deutschen hätten nun das Sagen in Europa, trotz ihrer Niederlage in den beiden Weltkriegen.

Die Zukunftssorgen: Klima und Rechtsrutsch

Viele Sorgen sich um den zukünftigen Umgang mit dem Klimawandel. Britain spricht von düsterer Aussicht betreffend den Klimaschutz. «In der EU gab es einen Hoffnungsschimmer, dass wir zusammen besser gegen den Klimawandel vorgehen könnten als alleine.»

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Die EU-Staaten haben der Ratifizierung des Austrittsabkommens mit Grossbritannien zugestimmt. Im Bild das Wandgemälde des britischen Graffiti-Künstlers Banksy zum Brexit in der südenglischen Hafenstadt Dover. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/EPA/pro

Watts blickt in diesem Zusammenhang ebenfalls verzweifelt in die Zukunft. «Obwohl ich jetzt Schweizer bin, und wir kein EU-Staat sind, liegt jetzt die Zukunft in Europa. Und da sollten wir gegen Korruption vorgehen und die Klimakrise zusammen bewältigen.»

Die Emotionen zum Brexit nehmen in Schottland ein ganz anderes Mass an. Die Mehrheit der schottischen Wählerschaft hat sich gegen einen EU-Austritt entschieden. Muss aber als Teil des Vereinigten Königreichs auch aus der EU austreten.

Brexit
Der Schotte Jimmy Hay sorgt sich um die politische Zukunft seiner Heimat, nachdem der Brexit vollzogen ist. - zVg

Jimmy Hay ist schottischer Bürger und lebt seit über 30 Jahren in der Schweiz. Er nennt als Auslöser die neuen EU-Massnahmen zur Besteuerung von Milliardären. «Die Milliardäre in der konservativen Partei merkten dies.» Im Brexit-Kämpfer Nigel Farage hätten sie die Lösung gesehen.

Boris Johnson Nicola Sturgeon
Die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon von der Schottischen Nationalpartei (SNP) hofft bei den Wahlen auf eine absolute Mehrheit. - dpa

Seine Sorge: Die zukünftige Politik. «Seit den letzten Wahlen wird Schottland von einer Partei regiert, in der praktisch keine Mitglieder aus Schottland stammen. Und diese verfolgen eine rechtsradikale, anti-Einbürgerungs-Rhetorik, trotz der massiv zugenommenen SNP (Schottische Nationalpartei).»

UK-Bürger in der Schweiz haben auch Verständnis

Doch es gibt auch in der Schweiz lebe UK-Bürger, die den Brexit zumindest zu verstehen versuchen. Dewi Williams (80) ist ein solcher Bürger. Er stammt ursprünglich aus Wales und hat sich in der Schweiz eine Existenz aufgebaut.

Er kritisiert, dass die «Remainers» (Brexit-Gegner) bei der Auflistung der Vorteile der EU-Mitgliederschaft versagt hätten. Ausserdem hätten sich viele grossbritannische Bürger von der EU im Stich gelassen gefühlt.

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Eine Teilnehmerin einer Demonstration gegen den geplanten Brexit hält ein Schild mit der Aufschrift «Johnson spiel nicht russisches Roulette mit unsere Demokratie» vor dem britischen Parlament. - dpa

«Viele Menschen fühlten sich machtlos bei Entscheidungen, die sie direkt betrafen. Als Waliser verstehe ich Menschen, die London und Brüssel als zu weit weg betrachten.»

Und trotzdem gibt er zu: «Ich bin traurig über den Brexit. Aber ich verstehe, wieso dafür abgestimmt wurde.»

Endlich wieder andere Themen als nur Brexit

Worüber sich hingegen alle vier Befragten einig sind: Für die Schweiz wird der Brexit kaum Folgen haben. Die Bürger Grossbritanniens spüren ihn jedoch schon jetzt, wie Professor Britain abschliessend betont.

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Mitarbeiter von britischen Europaabgeordneten verfolgen gerührt die Abschiedsveranstaltung der Sozialdemokratischen Fraktion für die Abgeordneten Grossbritanniens. Foto: Michael Kappeler/dpa - dpa-infocom GmbH

«In den letzten drei Jahren war der Fokus so sehr auf dem Brexit, dass wir anderes fast vergessen haben. Wie beispielsweise die englische Krankenversicherung in einer Krise steckt. Es schmerzt zu sehen, wie meine 87-jährige Mutter in einer Schlange von Ambulanzen feststeckt. Nur, weil es nicht genug Trolleys oder Krankenpfleger für alle Notfallpatienten hat.»

Ob sich die Politik und Bevölkerung in Grossbritannien nun wieder anderen Themen widmen können, wird sich zeigen. Fakt ist: Ab Mitternacht ist der Brexit vollzogen.

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