London will Brexit-Verschiebung erreichen
Das britische Parlament hat den Weg für eine Verschiebung des EU-Austritts Grossbritanniens geebnet: Zwei Wochen vor dem geplanten Brexit sprach sich das Unterhaus in London am Donnerstagabend mit klarer Mehrheit für eine Verlängerung der Brexit-Frist und eine dritte Abstimmung über den Austrittsvertrag mit der EU aus.

Das Wichtigste in Kürze
- Unterhaus stimmt für Fristverlängerung - Drittes Votum über Brexit-Vertrag.
Damit könnte sich der für den 29. März geplante Austritt um mehrere Monate verschieben. Ein zweites Brexit-Referendum lehnten die Parlamentarier fürs Erste jedoch ab.
413 Abgeordnete stellten sich am Donnerstag hinter den Antrag der Regierung, der vorsieht, bei der EU einen Aufschub des Brexit-Termins um mindestens drei Monate zu beantragen. 202 Parlamentarier votierten dagegen.
Nach mehreren Abstimmungsniederlagen im Unterhaus bedeutete das Votum einen Etappensieg für Premierministerin Theresa May, obwohl ihr erneut eine Mehrheit der Abgeordneten ihrer konservativen Partei die Gefolgschaft verweigerte und auch sieben Kabinettsmitglieder gegen ihre Vorlage stimmten.
May will das mit Brüssel ausgehandelte Abkommen zum EU-Austritt, das die Abgeordneten bereits zweimal abgelehnt haben, nun bis zum kommenden Mittwoch erneut im Unterhaus zur Abstimmung stellen. Am Donnerstag und Freitag kommender Woche findet der nächste EU-Gipfel statt.
Am Mittwoch hatte das Parlament in London einen EU-Austritt Grossbritanniens ohne ein Abkommen mit der EU grundsätzlich abgelehnt, so dass die Option einer Verschiebung wahrscheinlicher wurde. Um einen Brexit-Aufschub zu erreichen, ist London aber auf eine einstimmige Zustimmung der übrigen 27 EU-Länder angewiesen.
«Wir nehmen die Abstimmung zur Kenntnis», sagte ein Sprecher der EU-Kommission nach dem Votum im Unterhaus. Es obliege dem EU-Gipfel, sich mit der Frage einer Verschiebung zu befassen. Dabei sei die Frage zu bewerten, wie lange der Aufschub gehen solle und welche Gründe dafür genannt würden.
EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte Grossbritannien zuvor eine «lange» Verschiebung des Austrittsdatums in Aussicht gestellt. Er werde die 27 anderen Staats- und Regierungschefs der EU darum bitten, «offen für eine lange Fristverlängerung zu sein, wenn Grossbritannien es als notwendig erachtet, seine Brexit-Strategie zu überdenken und einen Konsens dazu zu erzielen», schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter.
EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) reagierte reserviert auf die Entscheidung des britischen Parlaments. «Es reicht nicht, wenn das britische Parlament sagt, wir möchten verlängern. Wir müssen auch wissen, zu welchem Ziel», erklärte Weber auf Twitter.
Auch der Brexit-Koordinator des Europaparlaments, Guy Verhofstadt, äusserte sich zurückhaltend. Die EU müsse deutlich machen, dass eine Verlängerung nur unter der Bedingung möglich sei, «dass das Unterhaus für etwas abstimmt, für eine Lösung, und nicht immer nur gegen alle Lösungen», sagte er im ZDF-«heute journal».
May schlägt eine Verschiebung des Brexit bis zum 30. Juni vor, falls die Abgeordneten den von ihrer Regierung mit Brüssel ausgehandelten Vertrag in der kommenden Woche im dritten Anlauf doch noch absegnen sollten. Fällt das Abkommen jedoch erneut durch, soll der EU-Austritt nach dem Willen der britischen Regierung noch über den 30. Juni hinaus aufgeschoben werden.
Diese längere Frist würde zum einen bedeuten, dass sich die Briten an der Europawahl Ende Mai beteiligen müssten, wogegen es unter anderem auch unter EU-Parlamentariern Widerstand gibt. Zum anderen würde sie die Pläne der Brexit-Hardliner durchkreuzen, die mehr als zweieinhalb Jahre nach dem Volksentscheid zum EU-Austritt auf einen zügigen Vollzug dringen.
Die britischen Abgeordneten stimmten am Donnerstag auch über mehrere Änderungsanträge zur Vorlage der Regierung ab, die jedoch alle scheiterten. Unter anderem sprachen sich die Parlamentarier eindeutig gegen ein zweites Brexit-Referendum aus, womit dieses aber noch nicht vom Tisch ist.
Die oppositionelle Labour-Partei unter der Führung von Jeremy Corbyn ist grundsätzlich für eine zweite Volksabstimmung, rief ihre Abgeordneten am Donnerstag aber auf, den Änderungsantrag nicht zu unterstützen. Laut Medienberichten hält die Parteiführung den jetzigen Zeitpunkt für unpassend, das Parlament über ein zweites Referendum entscheiden zu lassen.