Bundestag beschliesst verschärftes Gesetz gegen sexuellen Kindesmissbrauch
Der Bundestag hat am Donnerstag ein neues Gesetz gegen sexuelle Gewalt an Kindern beschlossen.
Der von Union und SPD vorgelegten Reform zufolge werden Missbrauchstaten stets als Verbrechen eingestuft und mindestens mit einem Jahr Haft geahndet, auch die Strafen für Kinderpornografie werden deutlich verschärft. Die Opposition und der Missbrauchsbeauftragte der Regierung warnten vor kontraproduktiven Folge in der juristischen Praxis.
Die Koalition reagiert mit dem Gesetzespaket auf mehrere grosse Missbrauchsfälle in weit verzweigten Pädophilennetzwerken, die Deutschland in den vergangenen Jahren erschüttert hatten. Kern ist, dass sexueller Missbrauch ebenso wie der Besitz oder die Verbreitung von Kinderpornografie in jedem Fall als Verbrechen einzustufen ist. Minderschwere Fälle gibt es damit nicht mehr.
Dazu kommen weitere Reformen in anderen Bereichen. So erhalten Polizei und Staatsanwaltschaft bei Ermittlungen wegen sexueller Gewalt gegen Kinder mehr Befugnisse. Dadurch können sie etwa die Telefon- und Internetkommunikation von Verdächtigen künftig besser überwachen. Ausserdem wird unter anderem die Position von Kindern in familiengerichtlichen Verfahren gestärkt. Ihnen wird darin künftig ein Pflichtverfahrensbeistand zur Seite gestellt.
Union und SPD stimmten für das Gesetzespaket, ebenso wie die AfD. Grüne, FDP und Linke enthielten sich bei der Abstimmung. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) erklärte, die Regierung bekämpfe die «Gräueltaten» der sexualisierten Gewalt an Kindern «mit aller Kraft». Durch das Gesetzespaket werde der Verfolgungsdruck auf Täter «massiv erhöht», alle Strafrahmen bildeten künftig das «schreckliche Unrecht» solcher Taten ab.
Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) bezeichnete das Gesetz im Bundestag als «klare, konsequente, dezidierte Antwort auf die zahllosen Missbrauchsskandale der vergangenen Jahre». Die Einstufung als Verbrechen habe Folgen weit über einen längeren Strafrahmen hinaus. So könnten Verfahren etwa nicht mehr wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Auch könnten Verdächtige leichter in Untersuchungshaft genommen werden.
Die Opposition lobte die generelle Zielsetzung des Pakets, übte allerdings scharfe Kritik an der juristischen Umsetzung. Grüne, Linke und FDP warnten vor den Folgen der pauschalen Hochstufung aller entsprechenden Taten zu Verbrechen. Sie nehme Ermittlern und Gerichten jede Möglichkeit für differenziertes Vorgehen bei eindeutig minderschweren Fällen. Dies binde viele «Ressourcen» und behindere dadurch die Verfolgung wirklich schwerer Taten.
Die Grünen-Politikerin Katja Keul verwies im Parlament auf «verheerende» Kritik von Juristen in den Expertenanhörungen zu dem neuen Gesetz. Künftig werde bereits der Fall von zwei fast gleichaltrigen Teenagern, die sich küssten, zwangsläufig als ein Verbrechen mit allen juristischen Konsequenzen eingestuft.
Der Missbrauchsbeauftragte der Regierung, Johannes-Wilhelm Rörig, warnte vor nachteiligen Folgen für die Strafverfolgung. Fälle von schwerem Missbrauch seien bereits heute Verbrechen, erklärte er am Donnerstag. Die jetzt erfolgte Hochstufung fast aller übrigen Tathandlungen sei eine «erhebliche Beschränkung des richterlichen Beurteilungsspielraums» insbesondere «bei Tathandlungen knapp oberhalb der Erheblichkeitsschwelle».
In der Konsequenz könne das die Strafverfolgung erschweren und zu Lasten der Opfer gehen, fügte Rörig an. Eine mögliche Folge seien weniger Geständnisse von Verdächtigen, was den Nachweis von Taten erschwere und Prozesse länger und belastender mache. Andere Änderungen des Gesetzes seien aber eindeutig positiv zu werten, betonte der Beauftragte. So würden Verurteilungen wegen Sexualdelikten künftig länger in Führungszeugnissen gespeichert.
Das Deutsche Kinderhilfswerk wie auch die Deutsche Kinderhilfe begrüssten die Verabschiedung. Das neue Gesetzespaket enthalte wichtige Massnahmen, um Kinder künftig «effektiver» zu schützen, erklärte die Vizepräsidentin des Kinderhilfswerks, Anne Lütkes, in Berlin. Zugleich forderte sie, die Zahl der Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaft in diesem Bereich «massiv» aufzustocken. Der «Fahndungsdruck» müsse nun steigen.