Bundestags Gutachten sieht Türkei als Besatzungsmacht in Syrien
Türkische Truppen waren im Januar in Nordsyrien einmarschiert, um dort die kurdische Miliz YPG zu bekämpfen, die in ihren Augen eine Terrororganisation ist.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Linksfraktion in Deutschland hat Gutachten zur Türkei in Syrien angefordert.
- In der neunseitigen Expertise geht Istanbul als Besatzungsmacht hervor.
Die Türkei ist nach einem wissenschaftlichen Gutachten des Bundestags Besatzungsmacht in Syrien. «Bei Lichte betrachtet erfüllt die türkische Militärpräsenz in der nordsyrischen Region Afrin sowie in der Region um Asas, al-Bab und Dscharablus im Norden Syriens völkerrechtlich alle Kriterien einer militärischen Besatzung», heisst es in der neunseitigen Expertise, die von der Linksfraktion in Auftrag gegeben wurde und der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Türkische Truppen waren im Januar in Nordsyrien einmarschiert, um dort die kurdische Miliz YPG zu bekämpfen, die in ihren Augen eine Terrororganisation ist. Die Regierung in Ankara beruft sich auf ihr Selbstverteidigungsrecht. Eine weitere Offensive gegen die YPG hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bereits angekündigt, aber nach der Ankündigung des US-Truppenabzugs aus Syrien auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben.
«Nicht im Einklang mit dem Völkerrecht»
Die Bundesregierung hat bisher keine völkerrechtliche Einordnung der Afrin-Offensive vorgenommen. Aussenminister Heiko Maas hatte allerdings bereits im März gesagt, dass die türkische Militäroperation «sicherlich nicht mehr im Einklang mit dem Völkerrecht wäre», wenn türkische Truppen dauerhaft in Syrien bleiben würden.
Die stellvertretende Linksfraktionschefin Sevim Dagdelen sagte, das Gutachten müsse für die Bundesregierung ein Weckruf sein. «Es ist skandalös, den Einmarsch und die Besatzung von Teilen Syriens durch den Nato-Partner Türkei entgegen aller Expertise und Stellungnahmen aller Bundestagsfraktionen nach wie vor nicht als Völkerrechtsbruch zu bewerten.»