CSU analysiert Wahlpleite in Bayern
Nach der herben Abstimmungspleite der CSU bei der Landtagswahl in Bayern kommt heute Dienstag erstmals deren deutlich geschrumpfte Landtagsfraktion zusammen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die CSU hatte bei der Landtagswahl in Bayern nur noch 37,2 Prozent erreicht.
- Das ist das schlechtestes Ergebnis seit 1950.
Die neue Landtagsfraktion der CDU besteht jetzt nur noch aus 85 Abgeordneten – 16 weniger als bisher. Für den Ministerpräsidenten Bayerns, Markus Söder, stellt diese erste Fraktionssitzung nach dem schlechten Wahlergebnis einen Gradmesser dar. Die Abgeordneten sind seine wichtigste Machtbasis. Ihre Meinung zu den bevorstehenden Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen hat deshalb besondere Bedeutung.
Der CSU-Vorsitzende und deutsche Innenminister Horst Seehofer will sich derweil um 12.30 Uhr in Berlin über Auswirkungen der Wahl auf die Bundespolitik äussern. Zuvor hatte am Abend der erste CSU-Kreisverband offen seine Ablösung als Parteichef gefordert. Die Bayern-Wahl dürfte auch Thema in den Fraktionen der im Bundestag vertretenen Parteien sein, die am Nachmittag in der Hauptstadt zusammenkommen. Die nächste Landtagswahl steht in knapp zwei Wochen in Hessen an.
Enorme Verluste
Die CSU hatte bei der Landtagswahl am Sonntag mit einem Minus von gut zehn Prozentpunkten nur noch 37,2 Prozent erreicht und damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 geholt. Die SPD halbierte mit Verlusten von rund elf Punkten ihr Ergebnis von 2013 und landete bei 9,7 Prozent. Zweitstärkste Kraft wurden die Grünen mit 17,5 Prozent – mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2013. Es folgen die Freien Wähler mit 11,6, die AfD mit 10,2 und die FDP mit 5,1 Prozent.
Söder und Seehofer haben sich für ein Bündnis mit den Freien Wählern ausgesprochen. Bündnissen mit SPD und Grünen werden keine realistische Chancen zugesprochen. Sondierungen sollen am Mittwoch sein – die CSU hofft, die Gespräche an einem Tag abschliessen zu können.
Mindestens ebenso spannend wie der Ausgang der Regierungsbildung dürfte im Anschluss die interne Aufarbeitung des Wahldebakels in der CSU werden. Der Parteivorstand hatte sich darauf geeinigt, die Suche nach Ursachen und möglichen Verantwortlichen erst nach der Wiederwahl Söders zum Ministerpräsidenten durchzuführen.
Gründliche Aufarbeitung
Am Wichtigste sei es, eine Regierung zu bilden, sagte Seehofer am Abend in der ZDF-Sendung «Was nun, Herr Seehofer?». Wer im Wahlkampf für Stabilität werbe, könne jetzt nicht mit internen Debatten im Freistaat für Instabilität sorgen. Er betonte, die Aufarbeitung werde ergebnisoffen erfolgen, auch personelle Konsequenzen seien nicht von vornherein ausgeschlossen.
Die Priorisierung der Regierungsbildung fand an der Basis Zustimmung. «Aber nach dieser Regierungsbildung wollen wir einen Parteitag mit dem Ziel der personellen Erneuerung und mit dem Ziel, Horst Seehofer abzulösen», sagte etwa der Vorsitzende des Kreisverbands Kronach, der Landtagsabgeordnete Jürgen Baumgärtner. Das habe der CSU-Kreisvorstand einmütig so beschlossen. Baumgärtner betonte, man habe ausdrücklich formuliert, dass Seehofer «grandiose» Erfolge für die CSU gefeiert habe und dass man ihm dafür auch dankbar sei. «Wir glauben aber, dass alles seine Zeit hat.» Aus Sicht des Kreisverbandes dürfe es jetzt kein «Weiter so» geben.
Ein «Weiter so» darf es nach Ansicht des stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag, Carsten Linnemann, auch nicht innerhalb der grossen Koalition in Berlin geben. In der «Neuen Osnabrücker Zeitung» forderte er ein Ende «des Hickhacks in Berlin». «Wenn wir in der grossen Koalition jetzt nicht endlich die Kurve bekommen, war's das mit den Volksparteien.»
Denkzettel akzeptieren
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht zur Halbzeit der Wahlperiode eine Überprüfungsklausel vor. Darauf hatten die Sozialdemokraten gedrungen. Bayerns Jusos etwa dagegen fordern den sofortigen Bruch der Koalition – um sich in Ruhe und mit linkem Profil zu erneuern.
Der frühere SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mahnte in der «Bild»-Zeitung vom Dienstag: «Eine neue Regierungskrise auszulösen, weil man die Brocken hinschmeisst, macht Deutschland bestimmt nicht stabiler.» Mit Blick auf die Bayern-Wahl sagte er, er rate dazu, «diesen Denkzettel zu akzeptieren und die richtigen Konsequenzen zu ziehen.» Vizekanzler Scholz sagte in den ARD-«Tagesthemen» mit Blick auf die unionsinternen Streitigkeiten etwa über den Kurs in der Asylpolitik: «Wir erwarten, dass sich das nicht wiederholt, was wir in den letzten Monaten von unserem Koalitionspartner erleben durften.»