Darum sind hässliche Häuser denkmalgeschützt
Das Wichtigste in Kürze
- Beim Denkmalschutz zählt nicht die Ästhetik eines Hauses.
- Vielmehr muss es ein typischer Zeuge seiner Zeit sein, um geschützt zu werden.
Ein Haus, wie aus der schönsten Vergangenheitsinszenierung: Hohe Fenster, bemalte Fassaden, Erker und sogar ein hübsches Türmchen.
«Bestimmt denkmalgeschützt», denkt sich der Spaziergänger und flaniert weiter. Vorbei an einer Bausünde aus den Sechzigern, die man von Herzen gerne bald vor der Abriss-Birne sähe.
Eines also steht fest: Beim nächsten Spaziergang gibt es einiges zu bedenken.
Schönheit reicht nicht
Die Chancen stehen ganz gut, dass tatsächlich eines der beiden Häuser zum Abriss freigegeben wurde, das andere hingegen geschützt ist. Die Chance steht allerdings ähnlich gut, dass nicht der Haus-Traum aus der fernen Vergangenheit vor dem Abbruch gefeit ist, sondern die Schreckbauten von vorgestern.
«Ob ein Haus schön ist, entscheidet nicht, ob es auch schützenswert ist», erklärt Mathias Steinmann. Er ist Leiter Bauinventar bei der kantonalen Denkmalpflege Luzern.
Meilensteine der Geschichte
Was, wenn nicht die Ästhetik, entscheidet über den Status eines Gebäudes? «Das heutige Denkmalverständnis umfasst sämtliche Zeugen der Schweizer Geschichte, denen wir täglich begegnen und die uns an unserer Vergangenheit erinnern», so Steinmann. Dazu gehört neben dem schmucken Stadtpalais eben auch der Bahnhof vom Lande, ein Brunnen, das unscheinbare Transformatorenhäuschen oder der Betonklotz an der Ecke.
Ein solcher Meilenstein helvetischer Geschichte ist beispielsweise die ehemalige ABM- und heutige Ottos-Filiale in Köniz BE. 1963 erbaut, verdankt sie ihren Status «erhaltenswert» der «eleganten, zeittypischen Rasterfassade aus vertikalen Aluminium-Profilen und grün hinterlegten Glasbrüstungen». Diese für die Sechzigerjahre typische Fassade sei heute nur noch selten zu sehen – die Gründe dafür mögen ins Augen stechen – und darum als Zeitzeuge unbedingt zu erhalten.
Symbol der Wirtschaftswunderjahre
Eine Augenweide, da muss man ehrlich sein, ist auch Schwamendingen nicht. Schützenswert aber schon. Zumindest das Wohn- und Geschäftshaus an der
Winterthurerstrasse 529–537. Vor dem zweiten Weltkrieg noch ein Bauerndorf,
wuchs Schwamendingen während der Wirtschaftswunderjahren rasant an.
Zwischen
1940 und 1960 versiebenfachte sich seine Bevölkerung. Die neuen Schwamendinger
brauchten nicht nur Wohnungen, sondern auch Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten.
1957 wurde darum ein Gebäudekomplex gebaut, der diese neuen Bedürfnisse abdeckt. Von dieser gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung soll Schwamendingens Wahrzeichen darum noch lange zeugen können.
Sperrige Nachkriegsarchitektur
Dass diese Zeitzeugen nicht alle und allen gefallen, versteht der Denkmalpfleger allerdings: «Die manchmal sperrige Nachkriegs-Architektur erfährt heute wenig Wertschätzung», sagt er.
Die Aufgabe des Denkmalschutzes sei es darum auch, «das Potential dieser Häuser als Träger der Geschichte und Erinnerer an die technische und künstlerische Kreativität dieser Zeit aufzuzeigen und sie so als vielschichtige Zeugnisse der Zeit zu erhalten.»
Schützenswert und teuer
Erhalten werden sollen in Luzern ganze sieben Prozent des gesamten Baubestandes. Im Kanton Bern ist aktuell sogar jedes zehnte Haus denkmalgeschützt. Die Berner sind allerdings daran, ihre Register zu durchforsten, um die Zahl der geschützten Häuser ebenfalls auf sieben Prozent herunter zu bringen.
Warum? Denkmalgeschützte Häuser sind für ihre Besitzer nicht nur schwerer an heutige Bedürfnisse anzupassen, sie können auch den Staat teuer zu stehen kommen: Grundsätzlich gilt, dass der kantonale Denkmalschutz sich für den Erhalt von Bauten aus dem frühen Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit einsetzt.
«Einerseits, indem er sie schützt, andererseits auch, in dem er die Eigentümer beratend und auch finanziell unterstützt, wenn die Häuser renoviert werden müssen», erklärt Steinmann.