Das EU-Parlament hat den in China inhaftierten uigurischen Aktivisten Ilham Tohti mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit ausgezeichnet.
Jewher Ilham und Parlamentspräsident David Sassoli
Jewher Ilham und Parlamentspräsident David Sassoli - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ilham Tohti als «Stimme der Mässigung» in Chinas Konflikt mit Uiguren geehrt.

«Sie haben nicht nur die Arbeit meines Vaters geehrt», sagte Tohtis Tochter Jewher Ilham, die den Preis am Mittwoch in Strassburg in Empfang nahm. Das EU-Parlament habe die ganze Welt auf das Leid von Millionen von Uiguren aufmerksam gemacht.

Der 50-Jährige Tohti gehört zur mehrheitlich muslimischen Minderheit der Uiguren, die Menschenrechtsaktivisten zufolge in der Volksrepublik massiv unterdrückt wird. Das EU-Parlament würdigte mit der Auszeichnung seinen Einsatz für die Verständigung zwischen Uiguren und Han-Chinesen. Der Wissenschaftlicher gilt im Konflikt der chinesischen Zentralregierung mit der Minderheit als Stimme der Mässigung.

Dennoch wurde er 2014 zu lebenslanger Haft verurteilt. «Die chinesischen Behörden nannten ihn 'Separatist' und sperrten ihn weg», sagte seine Tochter Jewher Ilham bei der Preisübergabe. Dabei habe er den Dialog gesucht, um die Probleme der uigurischen Minderheit in China anzusprechen.

Tohti betrieb zusammen mit Studenten einer Pekinger Universität ab Mitte der 2000er Jahre eine Webseite, auf der er Artikel zu sensiblen Themen auf Chinesisch und Uigurisch veröffentlichte. Seine Aussagen etwa zur Zweisprachigkeit in der mehrheitlich uigurischen Provinz Xinjiang und zu Schwierigkeiten von Uiguren auf dem Arbeitsmarkt erregten das Aufsehen der Behörden.

Die heute 25-jährige Jewher Ilham berichtete, dass sie 2013 gemeinsam mit ihrem Vater in die USA reisen wollte, als er in China am Flughafen festgenommen wurde: «Sie haben uns aus der Schlange für die Sicherheitskontrollen gezogen». Sie habe dennoch in die USA reisen können und ihren Vater seit dem nicht mehr gesehen.

Die Behörden beschuldigten Tohti, sich gegenüber seinen Studenten positiv zu gewaltbereiten uigurischen Aktivisten geäussert und sie zur Auflehnung angestachelt zu haben. Der Prozess zog scharfe Kritik ausländischer Regierungen und Menschenrechtler auf sich: Peking habe so einen Kritiker seiner Politik gegenüber den Uiguren zum Schweigen bringen wollen.

Experten werfen der Regierung massive Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas vor. Mehr als eine Million Uiguren und andere Muslime befinden sich dort Menschenrechtsaktivisten zufolge in Umerziehungslagern, wo sie demnach willkürlich festgehalten und teils misshandelt werden. Nachdem die Regierung in Peking die Existenz der Lager zunächst bestritten hatte, spricht sie heute von «Berufsbildungszentren» zur Deradikalisierung.

«Es gibt heute keine Freiheit für Uiguren in China. Sie wissen das», sagte Jewher Ilham gewandt an die EU-Abgeordneten. Die EU müsse Druck auf die Volksrepublik ausüben. «Es geht nicht darum, China zu bekämpfen, sondern darum, Menschenrechte zu schützen», fügte sie hinzu.

Die Uigurin hob zudem das Engagement der anderen Kandidaten für die Auszeichnung hervor. In der Auswahl für den mit 50.000 Euro dotierten Sacharow-Preis waren in diesem Jahr noch drei Vorkämpfer für die Rechte von Minderheiten, den Urwald und die indigene Bevölkerung in Brasilien, sowie eine Gruppe junger Kenianerinnen, die eine Smartphone-App entwickelt haben, um Opfern und potenziellen Opfern von Genitalverstümmlungen zu helfen.

«Auch wenn sie die Auszeichnung nicht erhalten haben verdient ihr Engagement dieselbe Aufmerksamkeit», sagte Jewher Ilham. «Diese unglaublichen Leute müssen gehört werden».

Zu den früheren Sacharow-Preisträgern gehören etwa der saudiarabische Blogger Raif Badawi und Südafrikas Ex-Präsident Nelson Mandela. Im vergangenen Jahr wurde der damals noch in Russland inhaftierte ukrainische Filmemacher Oleg Senzow für sein Engagement gegen die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim ausgezeichnet. Im September dieses Jahres kam er frei.

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