Flüchtlingsorganisationen fordern wegen weltweiter Coronakrise generellen Abschiebestopp
Flüchtlingsorganisationen haben angesichts der weltweiten Corona-Krise einen generellen Abschiebestopp aus Deutschland gefordert.
Das Wichtigste in Kürze
- Appell an Merkel zur Aufnahme von an EU-Aussengrenze gestrandeten Migranten.
Abschiebungen von Flüchtlingen seien in der aktuellen Situation «unverantwortlich und gefährden Menschenleben», teilten Pro Asyl, die deutschen Landesflüchtlingsräte und die Organisation Jugend ohne Grenzen am Mittwoch anlässlich der bis Freitag laufenden Innenministerkonferenz mit. Vor allem nach Syrien, Afghanistan und Äthiopien dürfe niemand abgeschoben werden.
In diesen Ländern herrschten «Krieg und Terror», erklärten die Organisationen in Frankfurt am Main. Weiterhin begrüssten sie eine von der neuen Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag angekündigte «Bleiberechtsregelung». Diese sieht ein einjähriges Aufenthaltserlaubnis auf Probe für Ausländer vor, die zum 1. Januar 2022 seit fünf Jahren hier lebten, sofern sie nicht straffällig wurden und sich zu Demokratie und Rechtsstaat bekennen.
Zu befürchten sei allerdings weiter eine «Abschieberitis einzelner Ausländerbehörden und Bundesländer» im Vorfeld dieser Änderung, mahnten die Verbände. Die Innenminister sollten auf ihrer Konferenz daher eine «Vorgriffsregelung» beschliessen, nach der vor Inkrafttreten der erwarteten Neuerung niemand abgeschoben werde.
In einem offenen Brief an die scheidende Bundesregierung forderten Pro Asyl und 27 weitere Organisationen derweil auch die Aufnahme von im belarussisch-polnischen Grenzgebiet gestrandeten Flüchtlingen aus dem Nahen Osten.
Mit ihrem historischen Satz «Wir schaffen das» habe Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) während der Flüchtlingskrise 2015 Haltung gezeigt, heisst es in dem am Mittwoch veröffentlichten Brief, den unter anderem auch die Organisationen Seebrücke, Attac und Kindernothilfe unterzeichneten. Nun müsse Merkel zeigen, dass ihre Haltung 2015 «echt gewesen» sei.
Scharfe Kritik übten die Organisationen an den Solidaritätsbekundungen deutscher Politiker an die polnische Regierung angesichts der derzeitigen Flüchtlingskrise. Polen gehe «mit allen Mitteln gegen die Schutzsuchenden» vor. Die Regierung in Warschau schiebe die Menschen «zurück, lässt sie verhungern und erfrieren, verwehrt ihnen jede humanitäre und medizinische Hilfe».
Die EU bezichtigt den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko, Migranten aus dem Nahen Osten absichtlich an die Grenze zur EU geschleust zu haben, um auf diese Weise politischen Druck auf Brüssel auszuüben. Minsk bestreitet dies.
Wegen des starken Anstiegs der Flüchtlingszahlen an der belarussisch-polnischen Grenze hatte die polnische Regierung im September einen Ausnahmezustand im Grenzgebiet verhängt, der den Grenzschützern unter anderem umstrittene «Pushbacks» von Migranten erlaubt und Journalisten und Hilfsorganisationen den Zugang zum Grenzgebiet untersagt. Kurz vor dem automatischen Auslaufen des Ausnahmezustands verlängerte Polen am Dienstagabend de facto die Einschränkungen.
Polens Opposition und Menschenrechtsorganisationen sehen in dem Ausnahmezustand einen Verstoss gegen die polnische Verfassung. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf Polen im November vor, eine Mitverantwortung für das «akute Leid in der Grenzregion» zu tragen.