Gremium hört Zeugen zu mutmasslichen Misshandlungen in chinesischen Uiguren-Lagern
In London hat ein unabhängiges Gremium mit der Anhörung von Uiguren begonnen, die China schwerwiegende Misshandlungen von Angehörigen der muslimischen Minderheit vorwerfen.
Das Wichtigste in Kürze
- Betroffene werfen Peking Folter und Zwangssterilisation vor.
Zeugen berichteten am Freitag vor dem «Uiguren-Tribunal» von Gruppenvergewaltigungen und Zwangssterilisationen bei Frauen in von Peking geführten Lagern in der nordwestchinesischen Provinz Xinjiang. Das Gremium, dem Anwälte und Menschenrechtsexperten angehören, will im Dezember einen Bericht zur Menschenrechtssituation in Xinjiang veröffentlichen. Peking sprach von Verleumdung.
«Die Anschuldigungen gegen die Volksrepublik China sind schwerwiegend», sagte der Vorsitzende des Gremiums, Geoffrey Nice, bei der Eröffnung der Sitzung. Das Tribunal ist keiner Regierung angeschlossen, wurde allerdings auf Bitten der grössten Exil-Uiguren-Organisation, des Weltkongresses der Uiguren, eingerichtet. China verweigerte eine Teilnahme und verhängte Sanktionen gegen die Beteiligten.
Qelbinur Sidik, eine muslimische Lehrerin mit usbekischen Wurzeln aus Xinjiangs Hauptstadt Urumqi, berichtete über ihren Aufenthalt in zwei stinkenden, überfüllten «Umerziehungs»-Lagern für Uiguren, in denen sie unter Zwang Chinesisch unterrichten musste. Die Menschen hätten während des stundenlangen Unterrichts Fesseln tragen müssen, erzählte sie dem Tribunal. Die Wachen im Lager hätten die männlichen Gefangenen nicht «als menschliche Wesen» angesehen, sagte Sidik. «Sie genossen es, ihnen dabei zuzusehen, wie sie gedemütigt wurden. Ihr Leiden war für sie ihre Freude.»
Weibliche Gefangene wurden nach Sidiks Aussagen misshandelt, wenn sie zum Verhör gebracht wurden. «Sie wurden nicht nur gefoltert, sondern auch vergewaltigt, manchmal in Gruppen», fügte sie hinzu.
Zwangssterilisationen von uigurischen Frauen seien üblich gewesen und in einem Fall sei eine weibliche Gefangene deshalb gestorben. Auch sie selbst sei zwangssterisiliert worden, bevor sie ein Visum erhielt, um ihre Tochter in den Niederlanden zu besuchen und aus China zu fliehen. «Ich wünsche niemandem, dass er so leiden muss», sagte Sidik unter Tränen.
Auch Omir Bekali, ein kasachischer Staatsbürger mit uigurischer Abstammung, sprach am Freitag vor dem Gremium. Bekali wurde nach eigenen Angaben verhaftet, als er seine Familie in Xinjiang besuchte. An einem Punkt seiner Aussage legte er sich Fesseln an, um dem Gremium zu zeigen, wie er über sieben Monate lang in einem Lager festgehalten worden war. «In den ersten vier Tagen und Nächten wurde ich gefoltert», sagte er. «Ich wurde an der Decke aufgehängt.» Dann sei er am ganzen Körper und an den Fusssohlen geschlagen worden. Sein Vater sei getötet worden und sein Bruder sei nach der Folter behindert geblieben.
Menschenrechtsorganisationen zufolge sind in Xinjiang mindestens eine Million Angehörige der Uiguren und anderer muslimischer Minderheiten in Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen und teilweise auch misshandelt. Washington wirft Peking in Xinjiang Völkermord an den Uiguren und anderen Minderheiten vor. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen gegen Extremismus.