Britisches Parlament durchkreuzt Johnsons Brexit-Pläne
Das Wichtigste in Kürze
- Premier setzt Beratungen über Brexit-Gesetz nach verlorener Abstimmung aus.
Premierminister Boris Johnson setzte daraufhin die Beratungen über das Gesetzesvorhaben komplett aus. Bis die EU über die beantragte erneute Verschiebung des Brexits entschieden hat, werde das Gesetzgebungsverfahren ausgesetzt, erklärte Johnson im Unterhaus in London. EU-Ratspräsident Donald Tusk will den EU-Staats- und Regierungschefs empfehlen, einer Verschiebung zuzustimmen.
Die Abgeordneten stimmten am Abend mit 322 zu 308 Stimmen dagegen, den Brexit-Gesetzgebungsprozess bis Donnerstagabend abzuschliessen. Johnson wollte dies durchsetzen, damit Grossbritannien die EU am 31. Oktober mit dem von ihm ausgehandelten Brexit-Abkommen verlassen kann. Für den Fall einer Ablehnung hatte Johnson den Abgeordneten im Unterhaus mit einer kompletten Rücknahme seines Brexit-Gesetzes und der Forderung nach Neuwahlen gedroht.
Die erste wichtige Vorentscheidung kurz zuvor hatte Johnson noch gewonnen. Die Abgeordneten stimmten mit der klaren Mehrheit von 329 Ja- zu 299 Nein-Stimmen dafür, die Gesetzesentwürfe zu prüfen, mit denen das mit der EU ausgehandelte neue Austrittsabkommen in britisches Recht übertragen werden soll. Es war das erste Mal, dass das britische Parlament einer Vorlage zum Brexit zustimmte.
Johnsons straffen Zeitplan, das 110 Seiten umfassende Brexit-Gesetzespaket bis Donnerstag zu beschliessen, lehnten die Abgeordneten jedoch ab. Wären sie dieser Forderung nachgekommen, hätte die Tory-Regierung dem Oberhaus am Freitag den Brexit-Gesetzestext vorlegen können. Damit wäre der von Johnson angestrebte EU-Austritt am 31. Oktober - zumindest theoretisch - möglich gewesen. Am Samstag hatte das Unterhaus Johnson dazu gezwungen, bei der EU eine erneute Brexit-Verschiebung zu beantragen.
«Die EU muss sich nun entscheiden, wie sie auf die Bitte des Parlaments um einen Aufschub reagieren will», sagte Johnson am Dienstag im Unterhaus. Bis eine Entscheidung gefallen sei, werde das Gesetzgebungsverfahren ausgesetzt. Er betonte jedoch, er halte am Austrittsdatum 31. Oktober fest. «Lassen Sie es mich klar sagen: Unsere Politik bleibt, dass wir (den Brexit) nicht verschieben sollten, dass wir die EU am 31. Oktober verlassen sollten. Das werde ich der EU sagen.» Er kündigte an, die Vorbereitungen für einen ungeregelten Austritt aus der EU voranzutreiben.
EU-Ratspräsident Tusk sprach sich nach der Abstimmung im britischen Parlament für eine erneute Verschiebung des Brexits aus. Um einen ungeregelten EU-Austritt Grossbritanniens zu verhindern, werde er den EU-Staats- und Regierungschefs empfehlen, dem britischen Antrag auf Verschiebung zuzustimmen, teilte Tusk im Onlinedienst Twitter mit. Er schlug zudem vor, die Entscheidung «im schriftlichen Verfahren» zu treffen. Dann müsste kein EU-Sondergipfel einberufen werden.
Oppositionspolitiker hatten Johnsons Plan, das Gesetzesvorhaben innerhalb von drei Tagen durch das Parlament zu peitschen, als «lächerlich» bezeichnet. Oppositionsführer Jeremy Corbyn warf dem Premierminister vor, er versuche, das Parlament zu «überrumpeln» und zur Unterstützung eines minderwertigen Abkommens zu zwingen.
Die oppositionelle Labour-Partei hat bereits angekündigt, Änderungen am Gesetzestext zu beantragen. Einige Abgeordnete wollen durchsetzen, dass Grossbritannien in einer Zollunion und damit eng an die EU angebunden bleibt.