Britisches Parlament stimmt über Johnsons ambitionierten Brexit-Zeitplan ab
Im Gezerre um den Brexit richten sich erneut alle Augen auf das britische Unterhaus: Zwei Abstimmungen der Abgeordneten zur Umsetzung des EU-Austrittsabkommens könnten am Dienstag die Entscheidung bringen, ob Premierminister Boris Johnson seinen ambitionierten Brexit-Zeitplan einhalten kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Tusk will in kommenden Tagen über Umgang mit Verlängerungsantrag entscheiden.
EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte in Strassburg an, in den kommenden Tagen über den Umgang mit dem britischen Antrag auf eine weitere Brexit-Verschiebung zu entscheiden.
Die britischen Unterhausabgeordneten stimmen am Dienstag über zwei von der Regierung vorgelegte Gesetzentwürfe ab, die für den weiteren Brexit-Prozess von entscheidender Bedeutung sind. Im ersten Fall geht es um die Einwilligung der Parlamentarier in die Prüfung der Gesetzentwürfe, mit denen das mit der EU ausgehandelte neue Austrittsabkommen in britisches Recht übertragen wird. Britische Medien sehen hier gute Chancen für Johnson.
Eng dürfte es für den Premier bei der zweiten Abstimmung werden, in der sich die Abgeordneten zu einer regelrechten Marathondebatte verpflichten sollen: Bis Donnerstag soll der gesamte Brexit-Gesetzgebungsprozess nach dem Willen der Regierung im Unterhaus abgeschlossen sein. In diesem Fall könnte die Regierung den Brexit-Gesetzestext am Freitag dem House of Lords vorlegen - damit wäre ein EU-Austritt bis zum 31. Oktober zumindest theoretisch möglich.
Allerdings ist fraglich, ob die Abgeordneten in beiden Abstimmungen zugunsten der Regierung entscheiden. Und selbst wenn, wäre ein EU-Austritt in den verbleibenden acht Tagen keinesfalls garantiert.
Die oppositionelle Labour-Partei hat bereits angekündigt, Änderungen am Gesetzestext zu beantragen. Labour werde während der Debatten zum EU-Austrittsabkommen «jede Gelegenheit nutzen», um die «Rechte von Arbeitern, den Schutz unserer Wirtschaft und das Recht des Volkes auf das letzte Wort abzusichern», schrieb der finanzpolitische Sprecher der Oppositionspartei in einem Beitrag für den «Daily Mirror». Die Abgeordneten hätten die Gelegenheit, die «falsche Wahl zwischen Boris Johnsons schlechtem Deal und einem No-Deal-Brexit abzulehnen», schrieb er weiter.
Der «Daily Telegraph» zitierte Regierungskreise mit der Warnung, Johnson könne das Gesetz zum Austrittsabkommen im Falle zu starker Änderungen der Opposition verwerfen - und «sofortige» Neuwahlen ausrufen.
Johnson hatte am Montag erneut dazu aufgerufen, den Brexit bis zum geplanten Austrittstermin zu stemmen. «Lasst uns den Brexit am 31. Oktober umsetzen und weitermachen.» Weder die Öffentlichkeit, noch die europäischen Staats- und Regierungschefs oder er selbst wollten «weitere Verzögerungen», betonte der Premier.
Die EU zeigte sich derweil abwartend. Tusk sagte im Europaparlament, die Lage in London sei «komplex», nachdem Grossbritannien am Wochenende eine erneute Verschiebung des Brexit beantragt habe. Er berate nun mit den Staats- und Regierungschefs über das weitere Vorgehen.
Die Entscheidung werde «sehr stark davon abhängen, was das britische Parlament entscheidet oder nicht entscheidet», sagte Tusk. Die EU müsse sich deshalb auf jedes Szenario vorbereiten. Er habe aber gegenüber Johnson klar gemacht, dass «ein No-Deal-Brexit niemals unsere Entscheidung sein wird».
Johnson war am Samstag vom Londoner Unterhaus gezwungen worden, eine Verschiebung des für den 31. Oktober geplanten Brexit zu beantragen. Am Abend schickte er ein entsprechendes Schreiben nach Brüssel. Johnson machte in einem weiteren Schreiben gleichzeitig klar, dass er keine Verschiebung will und beabsichtigt, den mit der EU vereinbarten Austrittsvertrag bis Ende Oktober durch das britische Parlament zu bringen.