Kommentar: Der Entscheid für Brett Kavanaugh ist einer gegen Frauen
Ein Richter steht im Verdacht, mehrere Frauen sexuell misshandelt zu haben. Dennoch sind US-Politiker grundsätzlich dafür, ihn ans Oberste Gericht zu empfehlen.
Das Wichtigste in Kürze
- US-Richter Brett Kavanaugh wird sexueller Missbrauch vorgeworfen.
- Der Justizausschuss des Senats hat entschieden, seine Kandidatur dennoch zu unterstützen.
- Ein Kommentar.
Amerika, das Land der Fairen und Freien? Das war einmal. Wird Richter Brett Kavanaugh tatsächlich an den Obersten Gerichtshof in Washington berufen – was als einigermassen sicher gilt – werden dort, bald nicht nur einer, sondern deren zwei Männer sitzen, gegen die der dringende Verdacht der sexuellen Nötigung besteht.
Die Botschaft, die Amerika damit an die Welt richtet, ist klar: Man darf jetzt zwar über sexuellen Missbrauch sprechen, Konsequenzen hat das aber auch in Zeiten von MeToo – wenn überhaupt – dann nur für das Opfer. Denn: So ein bisschen anfassen, das hat doch noch keiner geschadet. Oder? Wer Kavanaugh unterstützt, sagt damit nicht nur, dass seine mutmasslichen Opfer entweder lügen, oder aber zumindest vernachlässigbar sind. Wer Kavanaugh unterstützt, sagt damit allen von sexuellem Missbrauch betroffenen Menschen direkt ins Gesicht: Jetzt hab dich mal nicht so. Es gibt wichtigeres, als dein Menschenrecht.
Was ist geschehen?
Das Oberste Gericht ist die höchste juristische Instanz der USA. Wer einen oder mehrere der neun Richter-Stühle besetzen kann, hat damit grossen Einfluss auf die Judikative, die rechtsprechende Gewalt. Trump ist der Zufall gnädig: In seiner Amtszeit hat sich nun bereits die zweite Vakanz aufgetan. Nominiert hat der US-Präsident den Familienvater, Abtreibungsgegner und – natürlich – Republikaner Brett Kavanaugh.
Ein Richter von Trumps Gnaden mag dem einen oder anderen so oder so Kopfzerbrechen bereiten. Doch Kavanaugh besorgt die schlechte Presse gleich selber: Mehrere Frauen werfen ihm sexuellen Missbrauch vor. Die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford hat unter Eid vor dem Justizausschuss des Senats ausgesagt, der Richter habe sie als Teenager misshandelt. Weil er dabei derart betrunken gewesen sei, fürchtete sie während dem Missbrauch gar, dass er sie ungewollt umbringt.
Der Justizausschuss hörte sich diese Woche sowohl die ruhig, aber nervös vorgetragene Aussage der Professorin an, als auch die wutschnaubenden Aussagen Kavanaughs, der, wann immer er um eine Antwort verlegen war, Argument wie «hier wird eine politische Kampagne gegen mich gefahren» oder «haben Sie nicht auch gerne Bier?» vorbrachte.
Danach entschied der Ausschuss, in dem eine hauchdünne republikanische Mehrheit sitzt, Kavanaugh dem Senat als höchsten Richter zu empfehlen. Die zustimmenden Politiker gehen also davon aus, dass einer, dem mehrere Frauen unabhängig voneinander sexuellen Missbrauch vorwerfen, der als Teenager regelmässig bis zum Erbrechen betrunken war und der – als Erwachsener – in eine Ecke gedrängt, mit Wut und Geschrei reagiert, faire Urteile fällen wird. In letzter Instanz.
Das Feigenblatt
Einfach durchgewinkt hat der Ausschuss den mutmasslichen Sexualstraftäter dann aber doch nicht: Das FBI bekommt eine Woche Zeit, um die Vorwürfe zu prüfen. Erst dann wird definitiv gewählt.
Massgeblich beteiligt an diesem Entscheid sind die zahlreichen Frauen und Männer, die während der gesamten Anhörung vor dem Senat demonstrierten. Einige Frauen konfrontierten den republikanischen Senator Jeff Flake gar im Lift: «Wenn Sie für Brett Kavanaugh stimmen, sagen Sie allen Frauen in Amerika, dass sie nicht zählen. Dass der Missbrauch, der ihnen zustiess, egal ist.»
In einer Woche wird das FBI die Ergebnisse seiner Untersuchung vorlegen. Dann wird sich zeigen, ob Menschenrechte in den Vereinigten Staaten von Amerika auch Frauenrechte sind. Oder ob der Wille eines Mannes zur Macht eben doch mehr wiegt.
Denn hinter der Tatsache, dass der Ausschuss trotz der Vorwürfe beschlossen hat Kavanaugh auf jeden Fall als Obersten Richter zu empfehlen, segelt die FBI-Untersuchung wie ein welkes Feigenblatt zu Boden.