Nach sechs Wochen erfolgloser Verhandlungen über einen Kompromiss zum Brexit hat die Opposition die Gespräche mit der Regierung in London für gescheitert erklärt.
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Labour-Chef Jeremy Corbyn will nach der EU-Wahl eine erneute Volksabstimmung über den Brexit. - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Oppositionschef Corbyn: Verhandlungen «so weit wie möglich» gegangen.
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In einem Brief von Labour-Chef Jeremy Corbyn an die britische Premierministerin Theresa May hiess es am Freitag, die Verhandlungen seien «so weit wie möglich» gegangen. Er glaube nicht, dass es mit der auch innerparteilich angeschlagenen Regierungschefin zu einer Einigung komme.

Es bestehe weiterhin eine «bedeutende politische Kluft» zwischen beiden Seiten, schrieb Corbyn. Angesichts der «Schwäche und Instabilität» der Regierung gebe es kein Vertrauen, dass mögliche Verhandlungsergebnisse umgesetzt würden. Labour befürchtet, dass ein möglicher Nachfolger der bereits angezählten May gemachte Zusagen brechen könnte.

Corbyn führte weiter aus, dass seine Partei Mays Brexit-Pläne im Unterhaus nun weiter ablehnen werde, gleichwohl aber alle Vorschläge für einen Ausweg aus der derzeitigen Brexit-Sackgasse «sorgfältig erwägen» werde.

May machte Labour für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich. In der Partei gebe es «keine einheitliche Position zu der Frage, ob der Brexit vollzogen oder ein zweites Referendum, welches das verhindern könnte», abgehalten werden soll, sagte May in Bristol.

May war bereits dreimal im Parlament mit dem von ihr ausgehandelten Brexit-Abkommen gescheitert und wollte mit Corbyn einen Kompromiss aushandeln. Eine weitere Brexit-Abstimmung ist für Anfang Juni geplant.

Das von May mit der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen beinhaltet Regelungen zu den finanziellen Verpflichtungen gegenüber der EU, zu den künftigen Rechten von EU-Bürgern in Grossbritannien, Regelungen für eine Übergangsphase sowie Vorkehrungen, um Grenzkontrollen zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden.

Viele Konservative und die nordirische Parlamentspartei DUP, auf deren Unterstützung Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, lehnen die Regelungen zur nordirischen Grenze ab. Die Abstimmungsniederlagen hatten May zu dem Versuch bewogen, die oppositionelle Labour-Partei mit ins Boot zu holen. Labour bevorzugt eine deutlich engere Anbindung an die EU nach einem Brexit als die Konservativen.

May schlagen auch aus den eigenen Reihen zunehmend Forderungen nach einem sofortigen Rücktritt entgegen. Am Donnerstag lehnte sie dies bei einem Treffen mit führenden Tory-Vertretern ab. Nach Angaben der Partei wird May im Juni einen Zeitplan für ihren Rückzug vorlegen.

Es gilt als wahrscheinlich, dass der Wechsel an der Spitze der Partei und damit auch im Amt des Regierungschefs vor dem jährlichen Tory-Parteitag im September vollzogen wird. Mays innerparteilicher Rivale, der Brexit-Hardliner und Ex-Aussenminister Boris Johnson, erklärte bereits am Donnerstag, er strebe das Amt des Regierungschefs an.

Die Bundesregierung äusserte ihr «grosses Interesse» an einer Brexit-Einigung in Grossbritannien. «Wir schauen mit Interesse auf das, was sich in London gerade tut», sagte eine Regierungssprecherin in Berlin.

Angesichts der neuerlichen Befürchtungen, dass nun ein Brexit ohne Abkommen erfolgen könnte, sank das Pfund an der Börse auf einen neuen Tiefstand. Eigentlich hätte Grossbritannien bereits am 29. März aus der EU austreten müssen. Wegen des Chaos in London wurde die Frist inzwischen bis zum 31. Oktober verlängert.

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