Moskauer Staatsanwaltschaft will Demonstranten Sorgerecht entziehen
Die russische Justiz will einem Elternpaar das Sorgerecht für seinen einjährigen Sohn entziehen, weil es das Baby zu einer Demonstration der Opposition mitgenommen hatte.

Das Wichtigste in Kürze
- Eltern hatte ihr einjähriges Kind zu Protesten der Opposition mitgenommen.
Die Moskauer Staatsanwaltschaft teilte am Dienstag mit, der Antrag auf Sorgerechtsentziehung liege dem zuständigen Gericht bereits vor. Die Eltern hatten den kleinen Jungen demnach am 27. Juni zu einer nicht genehmigten Protestaktion mitgenommen.
Bei der Demonstration hätten die Eltern das Baby an «eine dritte Person» weitergereicht, erklärte die Staatsanwaltschaft. Damit hätten sie das «hilflose» kleine Kind einer «Gefahr für Leib und Leben» ausgesetzt und ihr Sorgerecht «missbraucht». Die Moskauer Staatsanwaltschaft ermittelt nach eigenen Angaben noch gegen andere Eltern, die ihre Babys oder Kinder zu Demonstrationen mitgenommen hatten.
Der Moskauer Ombudsmann für Kinderrechte kritisierte das Vorgehen der Justiz. Kinder dürften nicht dazu missbraucht werden, Demonstranten zu «erpressen», sagte Jewgeni Bunimowitsch dem Radiosender Moskauer Echo. Die Mitnahme eines Kindes zu einer Demonstration sei kein Grund für einen Sorgerechtsentzug. «Das ist völlig inakzeptabel», sagte Bunimowitsch. Auch der Kreml-freundliche Vorsitzende des russischen Menschenrechtsrats, Michail Fedotow, warnte, mit dem Vorgehen gegen die Eltern werde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen.
In Moskau hatten in den vergangenen zwei Wochen tausende Menschen an zwei nicht genehmigten Demonstrationen für freie Kommunalwahlen teilgenommen. Es gab fast 2400 Festnahmen, die Behörden ermitteln wegen «Massenunruhen».
Am Montag hatte das russische Ermittlungskomitee mitgeteilt, ein Oppositionsaktivist, der an der Demonstration am 27. Juli teilgenommen habe, werde per Haftbefehl gesucht. Der Mann war demnach mit einem fremden Baby auf dem Arm durch eine Polizeiabsperrung gelangt. Ihm und mehreren anderen Demonstranten droht bei einer Verurteilung wegen der Teilnahme an «Massenunruhen» eine Haftstrafe von bis zu acht Jahren.
Die Opposition wirft den Behörden vor, mit dem harten Vorgehen gegen die Demonstranten weitere Proteste unterbinden zu wollen.