Der Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Alexej Nawalny wird nach Einschätzung von dessen Anti-Korruptions-Stiftung der russischen Opposition bei den Regionalwahlen am kommenden Sonntag Auftrieb verleihen.
Stiftungsdirektor Iwan Schdanow
Stiftungsdirektor Iwan Schdanow - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Stiftungs-Direktor sieht Verantwortung für Vergiftung beim Kreml.
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«Natürlich werden wir eine Verbindung zwischen der Vergiftung und den Regionalwahlen herstellen», sagte der Direktor der Stiftung, Iwan Schdanow, in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.

Schdanow, der den Kreml für den Anschlag verantwortlich macht, geht davon aus, dass der Giftanschlag weitere Russen dazu veranlassen wird, für von Nawalny unterstützte Kandidaten zu stimmen. Nawalny hatte sich auf einer Wahlkampftour durchs Land befunden, als er am 20. August auf einem Inlandsflug zusammenbrach. Er wollte für eine taktische Stimmabgabe werben, um den Sieg regierungsnaher Kandidaten bei den Regionalwahlen zu verhindern.

Der Giftanschlag sei «ganz sicher ein neues Kapitel in der russischen Geschichte», sagte der 32-jährige Schdanow in der Zentrale der Stiftung im Süden Moskaus. Zwar gingen die russischen Behörden schon seit Jahren zuhause und im Ausland gegen ihre Kritiker vor, doch nun sei erstmals auf russischem Boden ein Kampfstoff gegen einen ranghohen Oppositionsführer eingesetzt worden. «Das hat es vorher noch nicht gegeben.»

Er vermute, dass die Führung in Moskau den charismatischen Oppositionsführer wegen der Massenproteste im benachbarten Belarus sowie der anhaltenden Demonstrationen in der Stadt Chabarowsk im Fernen Osten Russlands loswerden wollte. «Wenn eine Protestbewegung einen Anführer hat, ist sie viel stärker», sagte Schdanow. Der Kreml bevorzuge einen «führerlosen Protest». «Wenn es keinen Anführer gibt, wissen die Leute nicht, was sie tun sollen.»

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch erklärt, Nawalny sei «zweifelsfrei» mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet worden; sie verlangte von der russischen Regierung Aufklärung. Das Gift war in den 1970er Jahren von sowjetischen Wissenschaftlern entwickelt worden.

Der Kreml versuche jetzt, «alles zu dementieren und zu verschleiern», sagte Schdanow weiter. Für andere kriminelle Elemente sei es schwer, an Kampfstoffe heranzukommen. Dass der russische Staat nun «die absurdesten und verrücktesten Versionen für das, was passiert ist», erfinde, sei «sein Stil».

Im Umfeld des Kreml wurden bereits mehrere Theorien gestreut, darunter jene, dass Nawalny erst in Deutschland vergiftet worden sei. Russische Ärzte und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestehen darauf, dass in Russland keine Spuren von Gift in bei Nawalny genommenen Proben gefunden wurden.

Nawalny wird seit dem 22. August in der Berliner Charité behandelt und liegt immer noch im Koma. Sein Vertrauter Schdanow ist zuversichtlich, dass sich Nawalny erholt und fügt hinzu, die Anti-Korruptions-Stiftung werde in der Zwischenzeit in Russland ihren Kampf fortsetzen.

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