Politikexperte: AfD hat sich in der Mitte der Gesellschaft festgesetzt
Der Dresdner Politikwissenschaftler Hans Vorländer sieht in den Wahlerfolgen der AfD bei der Europawahl in Ostdeutschland auch ein Vorzeichen für die anstehenden Landtagswahlen.

Das Wichtigste in Kürze
- Kampf zwischen AfD und CDU um Spitzenplatz bei Landtagswahl in Sachsen erwartet.
Gerade in Sachsen habe sich die Partei «festgesetzt in der Mitte der Gesellschaft», sagte Vorländer am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Es sei zu erwarten, dass bei der Landtagswahl am 1. September «zwischen der AfD und der CDU um den Spitzenplatz sachsenweit sehr heftig gekämpft werden wird».
In Sachsen und auch in Brandenburg wurde die AfD bei der Europawahl stärkste Kraft. Nach dem vorläufigen Ergebnis erreichte die Partei in Sachsen 25,3 Prozent - die im Freistaat regierende CDU kam mit 23 Prozent erst an zweiter Stelle. Bereits bei der Bundestagswahl 2017 hatte die AfD in Sachsen knapp vor der CDU gelegen.
Trotz des von Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eingeleiteten Politikwechsels - etwa die Einstellung von mehr Polizisten und Lehrern sowie die Stärkung des ländlichen Raums - und seines Images als «Kümmerer» habe die CDU im Freistaat «grosse Probleme», sagte Vorländer. «Die Christdemokraten haben wie auch die SPD in der Fläche enorm an Bindekraft verloren».
Dieser Prozess begann nach Aussage von Vorländer schon vor Jahren, auch weil die CDU aus einer «gewissen Arroganz und Ignoranz» heraus an einen automatischen Dauererfolg in den Regionen geglaubt habe. «Nun saugt die AfD diese Stimmung auf und gibt sich als Anwalt gegen die vermeintlich etablierte Politik», sagte der Politikexperte AFP. Das Erfolgsrezept der AfD sei ihre starke Verankerung in örtlichen Strukturen. AfD-Politiker seien zumeist «lokal verwurzelte Figuren aus der Mitte der Gesellschaft».
Zugleich gebe die CDU in Sachsen ein gespaltenes Bild ab. Während Teile der CDU die AfD durchaus mit heimlicher Sympathie beobachteten, seien andere Teile paralysiert von den Wahlergebnissen. «Wenn da nicht ein Ruck durch die CDU geht, ist zu fürchten, dass die AfD auch bei der Landtagswahl stärkste Kraft werden könnte», warnte Vorländer. «Eine Ein-Mann-CDU wie Kretschmer ist da zu wenig.»
In Umfragen hat die schwarz-rote Landesregierung in Sachsen derzeit keine Mehrheit mehr. Ein ähnliches Bild ergibt sich in Brandenburg, wo ebenfalls am 1. September ein neuer Landtag gewählt wird und die rot-rote Landesregierung ebenfalls um ihre Mehrheit fürchten muss.
In Thüringen steht vier Monate vor der Landtagswahl am 27. Oktober die erste rot-rot-grüne Regierung unter einem linken Ministerpräsidenten auch ohne Mehrheit da. Bei den Kommunalwahlen am Sonntag konnte die CDU nach den bisherigen Ergebnissen in allen drei Ländern insgesamt ihre Spitzenposition behaupten.