Schicksalswahl: Frankreich stimmt über Parlament ab
Die Parlamentsneuwahl in Frankreich geht heute in die letzte Runde. Letzte Umfragen sehen keine absolute Mehrheit für die Rechtsnationalen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Parlamentsneuwahl in Frankreich geht in die Endrunde.
- Derzeit zeichnet sich keine regierungsfähige Mehrheit ab.
- Das Rassemblement National liegt in den Umfragen vorne.
Die mit Spannung erwartete Parlamentsneuwahl in Frankreich startet in die entscheidende letzte Runde. Die Französinnen und Franzosen stimmen über die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung ab. Vor allem aber dreht sich alles um die Frage: Geht der Machtpoker von Präsident Emmanuel Macron auf – oder ebnet er mit der überraschenden Neuwahl den Rechten den Weg zur Macht?
Umfragen sehen ernüchterndes Ergebnis für RN
Letzte Umfragen sehen keine absolute Mehrheit für das in Führung liegende Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. Demnach kämen die Rechtsnationalen und ihre Verbündeten auf 205 bis 240 Sitze. Sie würden zwar stärkste Kraft werden, die absolute Mehrheit von 289 Sitzen in der Nationalversammlung aber deutlich verfehlen.
Auf Rang zwei kommt demnach das für die vorgezogene Parlamentswahl gebildete neue Linksbündnis aus Grünen, Sozialisten, Kommunisten und Linkspartei. Das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron muss laut den Umfrageinstituten eine demütigende Niederlage kassieren und landet auf Rang drei.
Macron unter Druck
Vor der Endrunde der Parlamentswahl zeichnet sich also keine regierungsfähige Mehrheit ab. Erwartet wird unabhängig vom Wahlausgang, dass die bestehende Regierung von Premierminister Gabriel Attal noch einige Tage geschäftsführend im Amt ist, bis über die Bildung einer künftigen Regierung Klarheit herrscht. Das könnte allerdings dauern – die Situation ist so verfahren wie lange nicht.
Sollte das RN eine absolute Mehrheit erringen, stünde Macron unter dem politischen Zwang, einen Premierminister aus den Reihen der Rechtsnationalen – etwa RN-Chef Jordan Bardella – zu ernennen. Damit gäbe es in Frankreich erstmals seit 1997 wieder eine sogenannte Kohabitation. Das bedeutet, dass Präsident und Premierminister unterschiedliche politische Richtungen vertreten. Dies wäre ein Einschnitt in der Geschichte des Landes und hätte auch für die europäische Politik grosse Auswirkungen.
Macron hatte nach dem Sieg von Le Pens Rassemblement National bei der Europawahl Anfang Juni die Nationalversammlung aufgelöst und eine Neuwahl angekündigt. Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen. Um Macrons Präsidentenamt geht es bei der Wahl nicht.
Konservative könnten Königsmacher sein
Bei einer starken relativen Mehrheit für das RN wird damit gerechnet, dass dieses versucht, weitere Abgeordnete der bürgerlich-konservativen Républicains (LR) auf seine Seite zu ziehen, um Entscheidungsmacht im Parlament zu erlangen.
Die ehemalige Volkspartei hatte sich im Anlauf zur Wahl gespalten. Ihr Vorsitzender Éric Ciotti hatte unabgestimmt mit seiner Partei eine Kooperation mit dem RN vereinbart, nur eine kleinere Zahl von Abgeordneten folgte ihm aber.
Die Frage ist nun, wie die übrigen Abgeordneten sich verhalten, die in der ersten Wahlrunde rund zehn Prozent an Wählerstimmen auf sich vereinten.