Streit um geplanten U-Ausschuss Atomausstieg in Deutschland

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Im Deutschen Bundestag wurde eine Debatte über die Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses zu politischen Entscheidungen vor dem Atomausstieg angestossen.

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Bundestag in Berlin. (Archivbild) - AFP

In einer Bundestagsdebatte zu einem möglichen Untersuchungsausschuss zu politischen Entscheidungen vor dem endgültigen Atomausstieg 2023 in Deutschland haben sich Vertreter von «Ampel»-Koalition und Opposition mit Vorwürfen überzogen. Es stehe der Verdacht im Raum, dass Öffentlichkeit und Bundestag getäuscht worden seien, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Patrick Schnieder, am Freitag in Berlin. «Bis heute gibt es keine zufriedenstellenden Antworten auf die gestellten Fragen.»

Andreas Lenz von der CSU erklärte: «Parteipolitik, Parteilogik kam also vor dem Wohl des Landes.» Die CDU/CSU hat Wirtschaftsminister Robert Habeck und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) im Verdacht, einen möglichen Weiterbetrieb der letzten drei deutschen Atomkraftwerke nicht unvoreingenommen geprüft zu haben. Den beiden wird vorgeworfen, interne Bedenken unterdrückt zu haben, was beide Ministerien bestreiten.

Vorwürfe gegen grüne Minister

Nach dem Angriff von Deutschlands wichtigstem Gaslieferanten Russland auf die Ukraine im Februar 2022 war eine Debatte darum ausgebrochen, ob der für den Jahreswechsel gesetzlich festgeschriebene Atomausstieg tatsächlich vollzogen werden sollte. Am Ende wurde die Laufzeit von zwei AKW um drei Monate verlängert.

Der SPD-Abgeordnete Jakob Blankenburg warf deb Christdemokraten vor: «Worum es Ihnen geht, ist Meinungsmache, ist Wahlkampf.» Die klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, zählte die Argumente gegen einen Weiterbetrieb auf. Sie erinnerte an die damals bereits abgelaufene Sicherheitsüberprüfung und warf der Union einen Zickzackkurs vor.

Diese hatte den Atomausstieg unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einst eingeleitet. Am Ende habe man eine politische Entscheidung getroffen, sagte Scheer. Zuspruch zum Untersuchungsausschuss kam hingegen von der FDP.

FDP fordert längeren Betrieb

Der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Michael Kruse, erinnerte an die explodierenden Gaspreise im Jahr 2022. Russland habe einen Energiekrieg gegen Europa lange vor dem Angriff auf die Ukraine begonnen.

Kruse erinnerte daran, dass die FDP damals den längeren Betrieb der deutschen Atomkraftwerke vehement eingefordert hatte. Die Entscheidung dafür sei jedoch zu spät gekommen, es hätte Signale gebraucht, um die Märkte zu beruhigen. Er plädierte dafür, die Entscheidungen um den Bau der russischen Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 im Untersuchungsausschuss mitzubehandeln.

Die Entscheidung zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und dessen genauen Auftrag muss das Plenum des Bundestags bei einer späteren Sitzung treffen. Über die nötige Zahl von mindestens einem Viertel der Stimmen verfügt die Unionsfraktion, die 195 der 733 Sitze stellt.

Kommentare

User #2567 (nicht angemeldet)

Danke für den Lacher. Die Alten um mich rum fragen mich, ob meine Generation einen Totalschaden habe. Ihr habt uns erzogen. Wundervoll. Einen Nebelspalter braucht es in Deutschland wahrlich nicht.

User #1455 (nicht angemeldet)

Bereits im Jahr 2005 beschloss der staatliche Stromkonzern Électricité de France (EdF), die in die Jahre gekommenen Reaktoren des AKW an der französischen Westküste durch einen technologisch fortschrittlicheren Druckwasserreaktor zu ersetzen. Der sogenannte Evolutionary Power Reactor (EPR) sollte eine Nettoleistung von 1600 MW erbringen und zum Exportschlager der französischen Nuklearindustrie werden. Der zuständige Atomenergiekonzern Areva sprach von einem «Rolls-Royce du nucléaire». 2007 wurde mit dem Bau begonnen, fünf Jahre später hätte der Reaktor fertig sein sollen. Doch dazu kam es nicht. Kurz nach Baubeginn erklärte Areva, dass die Bauzeit sich um ein Jahr verlängern würde. In den folgenden Jahren wurde die Eröffnung des Reaktors auf 2014 und schliesslich 2015 verschoben, die veranschlagten Baukosten stiegen von 3,3 auf 6 Mrd. Euro. Im Jahr 2012 gab der italienische Konzern Enel seinen 12,5%-Anteil an dem Projekt zurück und erklärte, der Reaktor werde wegen der hohen Investitionskosten nie wirtschaftlich sein. Da nahm die Misere aber gerade erst ihren Anfang: 2014 wurde die Inbetriebnahme auf 2017 verschoben, bei geplanten Kosten von 8,5 Mrd. Euro. Bald darauf zeigte sich, dass der «Rolls-Royce» eine ganze Reihe an Reparaturen braucht: 2015 informierte die Atomsicherheitsbehörde ASN über eine Reihe von Materialfehlern, darunter Schwächen bei den Sicherheitsventilen und mangelhafter Stahl, der zu Rissen im Druckbehälter hätte führen können.

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