«Twitter-Sperre von Donald Trump verhindert Gewalt nicht»
Twitter, Facebook & Co. sperren die Kanäle von Donald Trump, um Gewalt zu verhindern. Wie erfolgreich ist dieser Durchgriff?
Das Wichtigste in Kürze
- «Donald Trump muss wieder vermehrt mit den Medien kooperieren», sagt Samuel Althof.
- Der Basler ist Experte der Extremismus-Fachstelle fexx.
- Im Gespräch mit Nau.ch erklärt er, was nach Trumps Twitter-Sperre passiert.
Nach den Ausschreitungen rund um das Kapitol greift Twitter durch. Das Sprachrohr von Donald Trump blockiert den Account des US-Präsidenten. Und andere soziale Netzwerke wie Facebook und Youtube ziehen mit.
Doch was bringt es überhaupt? Der Basler Extremismus-Experte Samuel Althof steht den Fragen von Nau.ch Red und Antwort.
Nau.ch: Herr Althof, die Kanäle von US-Präsident Donald Trump werden in den sozialen Massenmedien gesperrt. Wie beurteilen Sie die Sperrung von öffentlichen Personen?
Samuel Althof: Man muss diese Entscheidungen aus der Perspektiven von Twitter und Facebook anschauen. Sie sind private Unternehmen mit eigenen AGBs und handeln gemäss diesen. Donald Trump hat seit Jahren gegen diese Regelungen verstossen.
Zuletzt wurden seine Tweets mit Warnhinweisen versehen, dass sie möglicherweise unwahr seien. Oder sie wurden sogar ganz gelöscht. Damit haben Twitter und Facebok gezeigt, dass das Löschen seiner Accounts eigentlich schon seit Monaten nötig gewesen wäre. Nun wurde diese Sonderbehandlung endlich eingestellt.
«Lügen geht nicht»
Nau.ch: Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht es anders: Sie sagte, es sei ein Eingriff in die freie Meinungsäusserung. Inwiefern beschneiden die privaten Konzerne die Meinung und die Meinungsmachung?
Samuel Althof: Dass die freie Meinungsäusserung eines US-amerikanischen Präsidenten dadurch beschnitten werden soll, kann ich nicht nachvollziehen. Ein US-Präsident hat genügend andere Möglichkeiten, um sich Gehör zu verschaffen.
Im Vergleich waren seine Vorgänger kaum auf Twitter oder Facebook aktiv. Aber sie konnten dennoch ihre Meinung kundtun. Donald Trump nannte die Medien die «Feinde des Volkes». Er entschied sich, auf die privaten Unternehmen wie Twitter und Facebook auszuweichen.
Das war seine Strategie. Durch die Sperrung seiner Accounts entstand eine Korrektur in Richtung Realität: Lügen geht nicht!
Nau.ch: Donald Trump müsste also wieder mehr auf die Medien zugehen.
Althof: Ja, er muss sich wieder auf kritische Stimmen und Gegenfragen von Journalisten einstellen. Er versucht zurzeit sein eigenes soziales Netzwerk, ähnlich wie Twitter, aufzubauen. Trump kann im Moment nicht mehr ungebremst rausposaunen, was er will.
«Gewalt in den USA ist strukturell gegeben»
Althof: Sagen wir es so: Wenn Twitter nichts gemacht hätte und sich das Szenario wiederholen würde, könnte das Unternehmen wegen Beihilfe zu Gewalt beschuldigt werden. In der Zukunft wird sich aber erst zeigen, ob diese Entscheidung die absehbare Gewalt tatsächlich verhindern kann. Ich bezweifle das stark.
Die Stimmung in den USA ist sehr aufgeheizt. Es besteht eine grosse Gefahr für weitere Eskalationen.
Da wird die auch die Sperrung des Twitter-Accounts von Trump vermutlich nur wenig entgegensteuern können. Rechtsextreme und gewalttätige Gruppen wie die Proud Boys sind längst gut vernetzt, sie sind stark bewaffnet und verfolgen ihre Ziele. Unabhängig davon, was Twitter löscht oder nicht löscht.
Nau.ch: Die Organisation der Gewalt wird somit nicht verhindert, sondern nur auf eine andere Plattform verschoben.
Althof: Die Gewalt in den USA hat eine lange und aus meiner Sicht sehr trübe Geschichte. Die Gewalt ist in den USA strukturell gegeben. Dazu gehört das äusserst liberale Waffenrecht.
Fast jeder US-Bürger kann sich auf einfachstem Weg eine kaufen. Organisationen wie die rechtsextremen Proud Boys nutzen das und sind damit brandgefährlich. Die Polizei und der Sicherheitsapparat könnten diese Gewalt mit vereinigter Kraft und nachrichtendienstlichem Können verhindern.
Twitter kann in dieser aufgeheizten Stimmung nur modulierend wirken, in dem aufwiegelnde Tweets unterbunden werden. Aber nicht mehr.
«Donald Trump will gehört werden»
Nau.ch: Viele gehen davon aus, dass Trump auf eine kleinere Plattform ausweichen wird. Was sind die Risiken dabei?
Althof: Es wird davon abhängen, wie diese Plattform medial gespiegelt wird. Wenn die grossen Medien stets darüber berichten, was Trump geschrieben hat, wird sich nicht viel verändern. Wenn sich diese Plattform allerdings abschottet, kann sich eine sich verselbständigende Bubble bilden.
Das wäre problematisch. Ich bin mir aber sicher, dass die US-Nachrichtendienste diese Gefahr jetzt endlich erkannt haben. Und sich entsprechend darauf einstellen.
Nau.ch: Sie haben die Nachrichtendienste angesprochen. Was verändert sich für diese?
Althof: Die Aufgabe der Nachrichtendienste besteht darin, die möglichen Gefahren frühzeitig zu erkennen. Und ein mögliches Bedrohungsbild zu Handen der Polizei oder der Armee zu skizzieren. Sodass diese entsprechend einschreiten könnten.
Ich vermute, dass die US-Nachrichtendienste die rechtsextreme Gefahr nach dem Sturm auf das Capitol in Washington erkannt haben.