Waffenruhe in syrischer Provinz Idlib hält vorerst offenbar
Die zwischen Russland und der Türkei vereinbarte Waffenruhe für die umkämpfte nordsyrische Provinz Idlib hat zunächst weitgehend Wirkung gezeigt.
Das Wichtigste in Kürze
- EU fordert ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfsgüter nach Syrien.
Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag mitteilte, waren erstmals seit Monaten keine Kampfflugzeuge der Regierungstruppen oder der russischen Armee über Idlib zu sehen. Die Bundesregierung und die EU begrüssten die Waffenruhe. Sorge bestand weiter um den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe nach Syrien.
Die zwischen Russlands Staatschef Wladimir Putin und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ausgehandelte Feuerpause war in der Nacht zum Freitag in Kraft getreten. Der Vorsitzende der Syrischen Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman, berichtete zwar von einem gegenseitigen Beschuss zwischen syrischen Regierungstruppen und der Dschihadistenmiliz Islamische Partei Turkestans in der Morgendämmerung, bei der insgesamt 15 Kämpfer auf beiden Seiten getötet worden seien. Insgesamt hielten sich die Konfliktparteien demnach jedoch an die Waffenruhe.
Putin und Erdogan hatten sich am Donnerstag in Moskau auf die Feuerpause verständigt. Die Vereinbarung sieht zudem einen zwölf Kilometer breiten Sicherheitskorridor entlang der strategisch wichtigen Autobahn M4 vor. Um den Korridor zu schützen, soll es ab 15. März erstmals gemeinsame Patrouillen russischer und türkischer Soldaten geben.
Durch die Einigung solle vermieden werden, dass die humanitäre Krise «noch schlimmer wird», sagte Erdogan bei einer Pressekonferenz mit Putin. Dieser zeigte sich optimistisch, dass die Absprachen als «gute Grundlage für ein Ende der Kämpfe dienen» und «das Leiden der Zivilbevölkerung beenden».
Putin beantragte für Freitag eine Sitzung des UN-Sicherheitsrats in New York hinter verschlossenen Türen, um das Gremium über die Vereinbarung zu informieren, wie AFP aus diplomatischen Kreisen erfuhr. UN-Generalsekretär António Guterres äusserte die Hoffnung, dass die Feuerpause in eine «dauerhafte» Einstellung der Kämpfe mündet.
Auch die Bundesregierung begrüsste die Waffenruhe. Diese sei eine «gute Nachricht» für die Zivilisten in Idlib, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Er äusserte die Hoffnung, dass «ein effektiverer Zugang der Hilfsversorgung» nun wieder möglich werde. Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) habe dafür kurzfristig zusätzliche 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Die EU-Aussenminister forderten die Konfliktparteien auf, «die ungehinderte Bereitstellung humanitärer Hilfe durch die internationale Gemeinschaft zu ermöglichen». Die EU-Kommission werde «weitere 60 Millionen Euro» für die Versorgung der Bevölkerung in Nordwestsyrien zur Verfügung stellen, kündigten die Minister bei einem Treffen in Zagreb an. Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell sprach von der «logistischen Herausforderung», einer Million Menschen «mitten in den Bergen, mitten im Winter und mitten im Krieg» Lebensmittel und Schutz zur Verfügung zu stellen.
In dem Konflikt Moskau steht an der Seite der syrischen Regierungstruppen, deren Gegner werden teilweise von der Türkei unterstützt. In Idlib gehen die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad mit russischer Unterstützung seit Dezember massiv gegen die letzten Hochburgen islamistischer Milizen vor. Knapp eine Million Menschen sind seitdem nach UN-Angaben in die Flucht getrieben worden.
Die Türkei startete ihrerseits vor einigen Tagen eine grosse Militäroffensive gegen die Regierungstruppen in der Region, nachdem bei einem syrischen Luftangriff auf türkische Beobachterposten 34 Soldaten getötet worden waren. Am Donnerstag wurden zwei weitere türkische Soldaten bei Beschuss durch die syrische Regierungsarmee getötet, wie Ankara mitteilte.
Wegen der Eskalation der Kämpfe in Idlib hatte Erdogan am Wochenende die Grenzen seines Landes zur EU für Flüchtlinge geöffnet. Am Freitag kam es im Grenzgebiet erneut zu Auseinandersetzungen zwischen griechischen Grenzschützern und Flüchtlingen. Die Polizei setzte Tränengas gegen Menschen ein, die versuchten, Grenzzäune zu durchbrechen.
Zusammenstösse gab es offenbar auch zwischen griechischen und türkischen Grenzbeamten. Athen warf der Türkei vor, Tränengas und Rauchgranaten auf Einsatzkräfte auf der griechischen Seite abgefeuert zu haben.