Warum hat Algerien seit Jahren einen greisen Präsidenten?

Lina Schlup
Lina Schlup

Algerien,

Seit zwanzig Jahren ist Abdelaziz Bouteflika Präsident in Algerien. Der 82-Jährige will, trotz Altersgebrechen, zum fünften Mal kandidieren.

Algerien
Algeriens amtierender Präsident Abdelaziz Bouteflika ist seit 1999 im Amt. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Abdelaziz Bouteflika will, trotz Altersgebrechen, zum fünften Mal kandidieren.
  • Der 82-Jährige ist seit 20 Jahren Präsident Algeriens.
  • Zehntausende Algerier demonstrieren in den Strassen gegen eine erneute Kandidatur.

Zehntausende Algerier fordern seit gut einer Woche lautstark den Rücktritt Abdelaziz Bouteflika. Der 82-Jährige will zum fünften Mal als Präsident kandidieren. Zwar will er nicht die ganze Amtszeit vollenden, sondern nur ein Jahr. Den Demonstranten ist aber schon das zuviel.

Algerien bekommt seinen Präsidenten kaum mehr zu Gesicht

Offiziel ist Bouteflika zwar noch Präsident, aber man bekommt ihn kaum mehr zu Gesicht. 1999 wurde er als Wunschkandidat des Militärs zum Präsidenten gewählt.

2013 erlitt er zwei Schlaganfälle und sitzt seither im Rollstuhl. Er kann kaum mehr sprechen, kann sich nicht bewegen, nicht einmal blinzeln. Unklar ist deshalb auch, ob er überhaupt noch denken kann.

Wie schafft es ein Mann, der seit 2014 keinen einzigen Wahlkampfauftritt mehr hatte, sich trotzdem an der Macht zu halten? «Bouteflika ist das Produkt eines Systems, das Algerien seit der Unabhängigkeit fest im Griff hat», sagt Karima Dirèche. Die Historikerin analysierte im Gespräch mit der «NZZ» das Phänomen.

Algerien werde durch ein Netzwerk aus Politikern, dem Sicherheitsdienst, Generälen und Unternehmern geführt. Präsident Bouteflika hat das System, das unter dem Namen «le pouvoir» bekannt ist, in den 1960er Jahren mit aufgebaut.

«Entweder wir behalten den Status quo oder das Land versinkt im Chaos»

In den 90er Jahren versank Algerien in einem Bürgerkrieg, der zehn Jahre lang anhielt. Um das Land aus der Krise zu führen, setzte das Militär Bouteflika ein. Als Mitglied der Unabhängigkeitsbewegung und langjähriger Aussenminister war er bei der Bevölkerung beliebt, stand für Stabilität und Sicherheit. 1999 wurde er von einer Mehrheit zum Präsidenten gewählt.

Algerien war traumatisiert vom Bürgerkrieg und wollte um jeden Preis ein weiteres Blutvergiessen verhindern. Deshalb kam es während seiner Amtszeit kaum zu Unruhen.

Eine Marionette klammert sich an die Macht

«Das Regime spielt bis heute die Karte der Angst aus», sagt Hasni Abidi gegenüber der «NZZ». Er ist Politologe und Spezialist der arabischen Welt an der Universität Genf. «Entweder wir behalten den Status quo oder das Land versinkt im Chaos.»

In den letzen Jahren scheine der Präsident aber eine Marionette von «le pouvoir» geworden zu sein. Er klammere sich an der Macht fest. Und weil sich «le pouvoir» auf keinen Nachfolger einigen kann, hält das System weiter an Bouteflika fest.

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