Zukunft von Italiens Regierung nach Beschluss zu Corona-Programm in der Schwebe
Der Streit über die Verabschiedung eines gigantischen Konjunkturprogramms zur Überwindung der Corona-Krise wird zur Zerreissprobe für die italienische Regierung.
Das Wichtigste in Kürze
- Renzi droht mit Ausstieg seiner Partei aus Regierungskoalition.
Die zwei Ministerinnen der Italia Viva (IV) verweigerten bei dem Kabinettsvotum zu dem Massnahmenpaket im Umfang von 222,9 Milliarden Euro in der Nacht zum Mittwoch ihre Zustimmung. Ministerpräsident Giuseppe Conte könnte nun die Unterstützung des kleinen Koalitionspartners verlieren. Gesundheitsminister Roberto Speranza warnte vor einer «unverzeihlichen» politischen Krise inmitten der Pandemie.
Die IV hatte starke Vorbehalte gegen das Hilfspaket bekundet. Ihr Vorsitzender, der frühere Ministerpräsident Matteo Renzi, kündigte an, die Partei werde über mögliche Konsequenzen aus dem Kabinettsvotum beraten. Für Mittwochnachmittag (17.30 Uhr) hat er eine Pressekonferenz angesetzt, bei der über die nächsten Schritte informieren will. Steigt die IV aus der Koalition aus, droht Conte die Mehrheit im Senat zu verlieren, auf die er sich bislang stützen konnte.
Der italienische Gesundheitsminister Roberto Speranza warnte am Mittwoch vor einer «unverzeihlichen» politischen Krise, die den Kampf der Regierung gegen die Corona-Pandemie schwächen könne. Die Gesundheit der Italiener müsse jetzt an erster Stelle stehen, mahnte er. Seit dem Beginn der Pandemie starben in Italien bereits rund 80.000 Corona-Infizierte.
«Es wäre wirklich ein unverzeihlicher Fehler, den Fokus zu verlieren oder so kurz vor der Ziellinie langsamer zu werden», warnte Speranza und bezog sich unter anderem auf die Impfkampagne. In Italien wurden bislang mehr als 800.000 Menschen gegen das Coronavirus geimpft. Die drohende Regierungskrise könnte unter anderem die Verabschiedung eines neuen Plans zur Unterstützung von Unternehmen, die vom Lockdown betroffen sind, behindern.
Renzi sagte allerdings, er gehe davon aus, dass der parteilose Conte bereits andere Unterstützer im Senat gefunden habe, um die IV zu ersetzen. Ein mögliches Szenario ist, dass Conte bei einem Ausstieg der IV ein Vertrauensvotum anstrebt, um sich neuen parlamentarischen Rückhalt mit neuen Unterstützern zu verschaffen.
Renzi kritisiert seit Wochen Contes Umgang mit der Corona-Pandemie und übte zuletzt dann auch massive Kritik an dem Konjunkturprogramm, das grösstenteils aus dem Corona-Hilfsfonds der EU finanziert werden soll. 209,9 Milliarden Euro sollen aus diesem Fonds fliessen, die übrigen 13 Milliarden Euro will Conte aus italienischen Mitteln aufbringen.
Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri rühmte das Vorhaben als «den grössten Investitionsplan, den Italien jemals gesehen hat». Mit Hilfe der EU-Mittel könne sich das Land «nun wirklich verändern».
Renzi hat jedoch bemängelt, dass das Programm zur Verschleuderung von Geldern führen werde, und es an langfristigen Investitionen mangele. Auch fordert er, dass Italien auf den Euro-Rettungsfonds ESM zurückgreift. Dies lehnt Contes grösster Regierungspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), jedoch ab.
Conte nahm unter dem Druck Renzis andere Änderungen an dem Massnahmenbündel vor. So wurden unter anderem die Hilfen für den Gesundheitssektor verdoppelt. Dennoch enthielten sich dann bei der Kabinettsabstimmung die IV-Ministerinnen Teresa Bellanova (Agrar) und Elena Bonetti (Familie).
Die M5S blieb hingegen im Streit um das Hilfspaket dem Ministerpräsidenten treu. «Giuseppe Conte ist der Kitt und Eckpfeiler dieser Mehrheit», hatte M5S-Chef Luigi di Maio am Dienstag im Fernsehen gesagt.
Die derzeitige Mitte-Links-Koalition besteht seit 2019. Nachdem die rechtsradikale Lega von Matteo Salvini aus dem Bündnis mit Conte ausgestiegen war, war die M5S damals an der Seite des Regierungschefs geblieben. Hinzu kamen die Demokratische Partei (PD) und die IV.
Damit das Konjunkturprogramm in Kraft treten kann, muss es noch vom Parlament verabschiedet werden. Die Frist zur Beantragung der Mittel läuft im April ab. «Wir müssen uns beeilen», hatte Conte im Vorfeld des Kabinettsvotums gesagt.