Apéro statt Zürcher Gemeinderat: Leutenegger schwänzt Sitzungen
Der Zürcher FDP-Stadtrat Filippo Leutenegger fehlt an einem Grossteil der Parlamentssitzungen. Er geht lieber an Anlässe seiner eigenen Partei. Es gibt Kritik.
![Filippo Leutenegger](https://c.nau.ch/i/P5gaem/900/filippo-leutenegger.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Filippo Leutenegger war 2025 an nur zwei der bisher fünf Gemeinderatssitzungen vor Ort.
- Das sorgt für heftige Kritik.
- Unter anderem GLP-Politiker Sven Sobernheim bemängelt die Verfügbarkeit von Leutenegger.
- Der FDP-Stadtrat verteidigt sich und spricht von «lächerlichen Vorwürfen».
Die Anwesenheitsquote von Stadtrat Filippo Leutenegger ist tief: Von den bisher fünf Gemeinderatssitzungen im aktuellen Jahr hat er nur an zwei teilgenommen.
Für die anderen liess er sich entschuldigen und nahm stattdessen unter anderem an einem Apéro der FDP Kreis 8 teil, wie eine Instagramstory seiner Parteikollegin und Nationalrätin Bettina Balmer zeigt.
Das Phänomen ist nicht neu, bereits im vergangenen Dezember hatte sein Interviewtermin mit dem Nebelspalter Vorrang.
![gemeinderat zürich](https://c.nau.ch/i/QOgLgJ/900/gemeinderat-zurich.jpg)
Filippo Leutenegger ist nicht nur Vorsteher des Schul- und Sportdepartements, sondern auch Präsident der Kantonalpartei.
Deshalb muss er immer mal wieder Interessen priorisieren: zugunsten der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die ihn gewählt haben – oder eben zugunsten seiner Partei.
Abwesenheiten von Leutenegger seien «normal»
Auf die häufigen Absenzen angesprochen, ist Selina Walgis, Gemeinderätin der Grünen, nicht überrascht. Dies sei nichts Neues, «es ist normal und wird kaum kritisiert».
Sven Sobernheim, Fraktionschef der GLP, ärgert sich über die vielen Absenzen des Stadtrates. Seiner Ansicht nach müssen Regierungsmitglieder jedes Mal an der Sitzung teilnehmen, auch wenn sie keine eigenen Geschäfte auf der Traktandenliste haben.
Andere Stadträtinnen und Stadträte handhaben es so, dass sie die ersten eineinhalb Stunden anwesend sind und sich für danach entschuldigen lassen.
![Apéro](https://c.nau.ch/i/RPwKxb/900/apero.jpg)
Sobernheim bemängelt grundsätzlich die Verfügbarkeit von Leutenegger: «Bei der Planung der Traktanden müssen wir viel Rücksicht auf seine Abwesenheit nehmen.»
Natürlich könne es mal vorkommen, dass man wegen einer Aufgabe im Zusammenhang mit dem Stadtratsamt nicht an der Gemeinderatssitzung teilnehmen kann, sagt Walgis.
Aber: «Wenn man wegen der Parteiarbeit oder gar einem Parteiapéro fehlt, dann geht das nicht».
Der Grünen Politikerin zufolge ist es wichtig, dass die Stadträtinnen und Stadträte anwesend sind, um zu hören, was diskutiert wird und um auch mal ausserhalb der Traktandenliste mit den Parlamentarierinnen und Parlamentarier Themen besprechen zu können.
«Möchtegern-Patron»
Kritik kommt auch von David Garcia Nuñez, Fraktionschef der AL. Dass Leutenegger vielen Sitzungen fernbleibt, sei ein «absolutes No-Go».
«Als Möchtegern-Patron über Zürich kann er sich alles leisten, was seinen Angestellten den Hals kosten würde.» Wer 60 Prozent der Sitzungen verpasst, würde entlassen werden, so Garcia Nuñez.
Dass Leutenegger selbst dann einer Sitzung fernblieb, als es um einen von der FDP-Fraktion bekämpften Schulhausbau ging, macht Garcia Nuñez besonders wütend.
Natürlich dürfe der Stadtrat ein Parteiapéro besuchen, sagt Sven Sobernheim. Doch: «Wir haben den Druck, Schulvorstösse abzubauen, oder nicht?», fragt er rhetorisch. Das Stadtratsamt sollte seiner Meinung nach höchste Priorität haben.
«Wäre richtig, dass er sein Amt abgibt»
Wenn der Stadtrat lieber an einem Parteiapéro teilnimmt, statt an der Ratssitzung, könne der Eindruck entstehen, dass die Partei wichtiger sei als die Gesamtheit der Bevölkerung, sagt auch SP-Co-Fraktionschef Florian Utz auf Anfrage.
Das Amt des Parteipräsidenten sei nicht per se unvereinbar mit dem Stadtratsamt, findet Utz: «Es ist jedoch eine extrem untypische Situation und je mehr Terminkonflikte entstehen, desto kleiner ist die Vereinbarkeit der beiden Aufgaben.»
![Sven Sobernheim](https://c.nau.ch/i/BJ9VNl/900/sven-sobernheim.jpg)
Die Kombination von Stadtrat und Parteipräsident in Personalunion lehnt der AL-Fraktionschef David Garcia Nuñez aus «demokratietechnischen Gründen» ab: «Wie soll denn der Stadtrat frei und kontrovers über einen Schulbau diskutieren können, wenn der FDP-Präsident am Tisch sitzt?»
Inhaltlich habe sich Leutenegger noch nie für sein Amt als Schulvorsteher interessiert, denkt Sobernheim, deshalb «wäre es richtig, dass er aufhört und sein Amt abgibt».
«Ein lächerlicher Vorwurf»
Eine andere Perspektive hat Përparim Avdili, Präsident der Stadtzürcher FDP: «Wir haben keinen Anlass, an seiner Motivation zu zweifeln. Ganz im Gegenteil ist er auch parteiintern in schul- und bildungspolitischen Themen aktiv unterwegs.»
Es gäbe regelmässig Absenzen von Stadträtinnen und Stadträten. Wichtig sei, dass diese bei ihren Geschäften anwesend seien und Stellung nehmen würden, was laut Avdili bei Leutenegger jederzeit der Fall ist.
![Përparim Avdili](https://c.nau.ch/i/0ZboGn/900/perparim-avdili.jpg)
Auch der Angegriffene selber verteidigt sich und schickt ein Statement mit der Bitte, dies nur als Ganzes zu publizieren: «Ein lächerlicher Vorwurf. Mein Amt als Stadtrat geniesst in meiner politischen Arbeit die oberste Priorität und ich bin nach wie vor voll motiviert. Falls ich Geschäfte im Gemeinderat zu vertreten habe, bin ich engagiert anwesend. Dass sämtliche Regierungsmitglieder im Parlament jeweils anwesend sein sollen, ist eine kuriose Eigenart der Stadtzürcher Politik, denn dies ist weder beim Regierungs- noch Bundesrat der Fall. Ohne eigene Geschäfte anwesend zu sein, ist Kür nicht Pflicht.»
![Filippo Leutenegger](https://c.nau.ch/i/gNAP28xD41zomO6dk7WZze3jWGKqrabMVXle0L9w/900/filippo-leutenegger.jpg)
Ob Leutenegger nächstes Jahr nochmals zur Wahl antritt, ist noch offen, wie er auf Anfrage mitteilt. Und sein Parteipräsident Avdili sagt, die FDP werde die Kandidaturen «zur gegebenen Zeit» präsentieren.
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Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei «Tsüri.ch» erschienen. Autor Simon Jacoby ist Co-Geschäftsleiter und Chefredaktor beim Zürcher Stadtmagazin.