Corina Liebi (GLP): Stadt Bern hält an Privilegien fest
Die Revision des Altersvorsorgereglements für Berner Gemeinderäte stösst auf Unzufriedenheit. Eine umfassende Reform sei notwendig. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Corina Liebi (GLP) kritisiert zu hohe Ruhestandsrenten von Berner Gemeinderäten.
- Eine Motion hat nur leichte Verbesserungen gebracht.
- Abfindungen und Ruhestandrenten liegen deutlich über dem Durchschnitt anderer Städte.
Die Rentenpolitik des Berner Gemeinderats sorgt zunehmend für Empörung. Trotz einer angespannten Finanzlage hält der Gemeinderat an grosszügigen Ruhestandsrenten und Abfindungen fest, die deutlich über dem Durchschnitt anderer Städte liegen.
Eine Motion der Grünliberalen Partei, die eine umfassende Reform forderte, brachte nur minimale Anpassungen – die grössten Privilegien bleiben unberührt. Die Frage nach finanzieller Verantwortung und der Bereitschaft zur Veränderung wird drängender denn je.
In Bern wächst die Kritik an der Rentenpolitik des Gemeinderats. Denn wer aus dem Berner Gemeinderat zurücktritt oder abgewählt wird, erhält grosszügige Abfindungen oder sogar eine Ruhestandsrente. Was ursprünglich als soziale Absicherung für langjährige Exekutivmitglieder gedacht war, hat sich mittlerweile zu einem teuren Privileg entwickelt, das viele Bürgerinnen und Bürger heute kaum noch nachvollziehen können.
Trotz klarer Forderungen nach Reformen hält der Gemeinderat entschlossen an seinen bisherigen Regelungen fest – sehr zum Unverständnis der Bevölkerung.
Im Jahr 2023 wurde eine Motion der Grünliberalen Partei (GLP) überwiesen, die eine vollständige Überarbeitung des Altersvorsorgereglements für Gemeinderatsmitglieder forderte.
Nun liegt das überarbeitete Reglement vor – doch das Ergebnis ist ernüchternd: Statt der geforderten Totalrevision gibt es nur kleine Änderungen. Zwar wurden Anpassungen bei den Pensionskassenbeiträgen vorgenommen, doch die eigentlichen Ruhestandsrenten des Gemeinderats blieben unangetastet.
Ein festgefahrener Reformprozess?
Der Gemeinderat begründet seine Haltung mit den Worten, die bestehenden Regelungen «hätten sich bewährt» und «bedürften aus seiner Sicht keinerlei Anpassungen».
Er möchte also unter allen Umständen an seinen Privilegien festhalten – eine Haltung, die gerade in Zeiten knapper Kassen und wachsender Kritik aus der Öffentlichkeit nur schwer nachvollziehbar ist.
Die Zahlen sprechen für sich: In Bern können Abfindungen bis zu 2,3 Millionen Franken betragen – deutlich mehr als in anderen Städten, wo der Durchschnitt oft bei 400'000 bis 550'000 Franken liegt.
Diese grossen Unterschiede sind schwer zu rechtfertigen, besonders wenn die Finanzlage angespannt ist und die Stadt mit öffentlichen Geldern sparsam umgehen sollte.
Die lange vernachlässigte Eigenbeteiligung
Ein weiterer Punkt, der viele verärgert, ist die geringe Eigenbeteiligung der Gemeinderäte an den Pensionskassenbeiträgen. Seit 2013 zahlt die Stadt Bern bis zu 31 Prozent dieser Beiträge, während ehemalige Gemeinderäte, die eine Ruhestandsrente beziehen, lediglich 6 Prozent beisteuern.
Die Stadt Bern wusste seit Jahren von dieser ungerechten Verteilung und den hohen Kosten, änderte jedoch nichts daran und warf dadurch beträchtliche Summen zum Fenster hinaus.
Nun wird die Eigenbeteiligung der Rentenbeziehenden auf bis zu 12,33 Prozent angehoben – eine kleine Verbesserung, doch die Hauptlast trägt weiterhin die Stadt.
Dass dieser Missstand über ein Jahrzehnt bekannt war und gänzlich ignoriert wurde, ist ein Skandal und wirft ernsthafte Fragen zur Verantwortlichkeit des Gemeinderats auf.
Zeitdruck, Beschluss und zukünftige Forderungen
Am vergangenen Donnerstag hat der Berner Stadtrat die Revision des Altersvorsorgereglements im Bereich der Pensionskassenbeiträge genehmigt.
Doch die GLP zeigt sich unzufrieden mit der Umsetzung der Motion und kritisiert, dass die angestrebte Totalrevision nach wie vor fehlt.
Das Thema soll deshalb in der nächsten Legislatur erneut aufgegriffen werden – mit der klaren Erwartung, dass der Gemeinderat endlich eine umfassende Änderung im Bereich der Ruhestandsrenten vornimmt.
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Zur Autorin: Corina Liebi (*1995) ist Historikerin und Berner Stadträtin. Liebi ist in der Region Thun aufgewachsen und wohnt nun seit einigen Jahren in der Stadt Bern.