Geissbühler-Strupler (EgD): Fehlende Unterstützung für Drogenopfer
Sabina Geissbühler-Strupler (Schweizerische Vereinigung «Eltern gegen Drogen») äussert sich über die fehlende Unterstützung bei Suchtkranken.
Das Wichtigste in Kürze
- Sabina Geissbühler-Strupler ist Präsidentin der Vereinigung «Eltern gegen Drogen».
- Sie spricht im Gastbeitrag über die fehlende Unterstützung bei Drogenmissbrauchs-Opfern.
- Zum UNO-Tag gegen Drogenmissbrauch und -handel wurden Standaktionen durchgeführt.
Die Schweizerische Vereinigung «Eltern gegen Drogen» hat auch dieses Jahr an Standaktionen mit Informationsmaterial wie dem Faltblatt «Drogen: Tatsachen, statt falsche Behauptungen», mit Cannabisbroschüren und mit dem Informationsbulletin «Eltern gegen Drogen» die Bevölkerung aufgeklärt.
Mit Alkohol- und Cannabisbrillen wurden beim Gehen auf einer Linie oder durch Zielwürfe mit einem Ball die visuellen Einschränkungen simuliert, wie sie nach Einnahme dieser Substanzen auftreten.
Insbesondere am Info-Stand am Bahnhofplatz in Bern, vor der Heiliggeistkirche, erlebten wir einen Tag lang die negativen Auswirkungen und die krassen Persönlichkeitsveränderungen von Menschen unter Einfluss von Sucht- und Betäubungsmitteln: Aggressionen, Gewalt, psychotische, verzweifelte, verwahrloste Menschen jeglichen Alters, um welche sich niemand kümmerte.
Wir Mitglieder der Schweizerischen Vereinigung «Eltern gegen Drogen» waren an unseren Informationsständen die einzigen, die von dieser Tragik berührt waren, sich einmischten, zuhörten, berieten.
Das Bundesamt für Gesundheit, die Berner Gesundheit und wie die von unseren Steuergeldern subventionierten Institutionen alle heissen, waren an diesem internationalen Aufklärungstag tatenlos.
Auch in den Medien konnte keine Präventions- oder Informationskampagne gesichtet werden, obschon der Drogenmissbrauch und Drogenhandel eine grosse Gefahr für unsere Zivilisation und Sicherheit bedeutet.
Die Auswirkung der wöchentlichen Heroinabgabe an Süchtige
Verschiedene süchtige Menschen berichteten, dass sie nur noch einmal pro Woche mehrere Tagesdosen des Betäubungsmittels Heroin (Diacetylmorphin) erhalten würden. Dies, obschon sie nicht fähig seien, diese Rauschmittel einzuteilen.
Sie bestätigten auch, dass sie oft diese vom Staat abgegebenen Rauschgifte verkaufen oder tauschen würden. Kokain sei das häufigste Suchtmittel, das sie dann meist spritzen, sniefen oder als Crack rauchen würden.
Die Verfügbarkeit von verschreibungspflichtigen Betäubungsmittel, zum Beispiel stark süchtig machenden Benzodiazepinen wie Valium, Xanax, Rohypnol, Dormicum und Temesta, sei so gross wie noch nie. In zehn Minuten könnten sie uns jedes Suchtmittel beschaffen.
Dealen und Sozialhilfe oder IV beziehen
Max, mit seinem vom Drogenkonsum gezeichneten Gebiss, kam immer wieder zu uns an den Infostand und erzählte von seinem Leben, von seiner reduzierten Arbeit als Koch.
Er würde unter 3000 Franken verdienen und überlege sich, den Job aufzugeben. Denn ein Kollege von ihm, ein Sozialfall, hätte im letzten Monat mit Dealen «easy» 13'000 Franken verdient. Es sei selten, dass jemand intervenieren oder ihn beim Kauf und Verkauf stören würde. Er wisse günstige Bezugsquellen, und die Nachfrage werde immer grösser.
Tatsächlich fuhr während des ganzen Tages nur einmal ein Polizeiauto vorbei. Sie schienen sich nicht um die Drogensüchtigen zu kümmern, sondern kontrollierten, ob wir unseren Standplatz nach Vorgaben der Stadt betreiben würden.
Aggressionen und Gewalt durch die Süchtigen
Vanessa war stundenlang damit beschäftigt, ihren aggressiven, gewalttätigen Freund zu beruhigen und ihn vor sich selbst und andere vor ihm zu schützen. Sie selbst bekam einige Schläge ab.
Als ich mich einmischte, bedrohte er mich. Vanessa meinte, dass ihr Freund gestern Kokain konsumiert hätte, und er dann immer ausflippen würde. Er schrie sie an und befahl ihr, in seine Wohnung mitzukommen. Was sie wohl aus Angst verweigerte.
Sven sass ungefähr zwei Stunden lang mit hängendem Kopf vor der Heiliggeistkirche auf dem Boden, leere Dosen und Flaschen lagen neben ihm. Plötzlich stand er auf, brüllte Unverständliches und knallte sein Smartphone vor sich auf den Betonboden und wiederholte dies mehrmals. Dann steuerte er auf unseren Infostand zu, wo interessierte Touristen das Präventionsmaterial anschauten und unsere ehrenamtliche Tätigkeit anerkennend zur Kenntnis nahmen.
Sven wurde immer lauter und für alle bedrohlicher. Die fremden Gäste waren Vielreisende. Sie waren sprachlos über die Verfügbarkeit von illegalen Drogen in der ganzen Stadt und über die Untätigkeit der Behörden, der Zuständigen in der Suchthilfe. Solche Zustände hätten sie noch nirgends auf der Welt gesehen.
Fehlende abstinenzorientierte Ausstiegshilfen
Lia erzählte uns von ihrem zweimonatigen Entzugsaufenthalt in einer Klinik im Kanton Bern. Sie habe Angst vor der Zukunft, da sie jetzt wieder zurückkomme an den Ort und zu den Menschen, die sie in der Berufsschule kennengelernt und die ihr zuerst Joints, dann Drogen-Cocktails angeboten hatten.
Dass sie nun als über 30-jährige Frau ohne Beruf, ohne echte Freunde sich selbst überlassen sei, empfinde sie als grosses Risiko.
Die Versuchung, wieder zu Betäubungsmitteln zu greifen, sei wegen des Angebots in Biel und Bern, wo sie sich vor allem aufhalten werde, enorm gross.
Die Sozialarbeiterin hätte ihr eine ambulante Therapie in einem sozialtherapeutischen Zentrum empfohlen, zwei-, dreimal pro Woche. Ihre Verzweiflung hat uns tief berührt.
Fränzi erzählte uns von ihrem eineinhalb-jährigen Aufenthalt bei einer Bauernfamilie. Sie hätte eine gute Zeit gehabt, aber nun sei sie auf der Suche nach einem geschützten Platz, wo sie eine Lehre in einem Pflegeberuf machen könnte.
Dann blätterte sie in unseren bereitliegenden «Eltern gegen Drogen» – Bulletins und entdeckte die Beschreibung des von uns empfohlenen, erfolgreichen Therapiedorfes San Patrignano bei Rimini IT.
Lia und Fränzi waren dankbar über diese Therapiemöglichkeit und verliessen voller Hoffnung und Zuversicht unseren Info-Stand.
Rehabilitationszentrum San Patrignano, eine Erfolgsgeschichte
Die Schweizerische Vereinigung «Eltern gegen Drogen» hat schon mehrmals Reisen nach San Patrignano bei Rimini organisiert, bei welchen Politikerinnen und Politiker, Behördenmitglieder, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Eltern von süchtigen Kindern Gelegenheit hatten, sich vor Ort über die mehr als 40-jährige Erfolgsgeschichte, dieser einzigartigen drogentherapeutischen Lebensgemeinschaft zu überzeugen. Leider haben nur interessierte Eltern, aber keine für die Suchthilfe Verantwortlichen teilgenommen.
Zum Drogentherapiedorf San Patrignano gehören Weinberge, grosse Weiden für Schaf-, Rinder- und vor allem Pferdezucht. Das konsequente, auf Drogenabstinenz ausgerichtete Rehabilitationskonzept berücksichtigt den psychischen und physischen Zustand der rauschgiftsüchtigen Menschen und konnte seit seiner Gründung rund 28’000 Frauen und Männer aus der Sucht hinausführen.
Diese leben heute drogenfrei, sind sozial und beruflich vollständig in die Gesellschaft integriert. Stellt man den Erfolg der von unseren Behörden geförderten Heroinabgabe (7 Prozent Ausstiegswillige) dem Erfolg dieses Selbsthilfeprojekts von San Patrignano (72 Prozent Heilungsquote) gegenüber, müsste bei uns in der Schweiz dieses Drogentherapiedorf Nachahmung finden.
Als Grossrätin im Kanton Bern hatte ich einen entsprechenden Vorstoss eingereicht, doch der Druck der Drogenlegalisierungslobby gegen das Projekt war zu gross.
Von der Sucht getriebene Menschen, so genannte «hoffnungslose Fälle», finden in dieser Lebensgemeinschaft ein sinnerfülltes, würdiges Leben.
Bei einem Neueintritt unterschreiben die Ankömmlinge einen Lehrvertrag und danach übernimmt eine Person aus den Reihen der ehemals Süchtigen die Betreuung. Diese steht dem Drogensüchtigen mit viel Verständnis, Geduld und Liebe rund um die Uhr bei.
Diese gefestigten ehemals Abhängigen, die selbst die schwierige Zeit in der Sucht, die schleichende Zerstörung ihrer Persönlichkeit, aber auch die Zeit des Entzugs und der Neuorientierung durchgemacht haben, scheinen die geeigneten Begleiter oder Begleiterinnen zu sein.
Unzählige Weiterbildungsmöglichkeiten
Das Therapiedorf bietet über fünfzig zwei-, drei- oder vierjährige Berufslehren, aber auch Schulbildung bis zur Matura sowie Studien an der Universität von Bologna an.
Auffallend ist die Anleitung zu exakter, sorgfältiger Arbeitsweise, so dass ausschliesslich qualitativ hochwertige Produkte entstehen, die bis weit über die italienische Grenze hinaus einen ausgezeichneten Ruf erlangt haben.
Deshalb finden die Bewohnerinnen und Bewohner von San Patrignano nach Beendigung ihrer Therapie meist mühelos eine Arbeitsstelle. Viele stellen aber auch ihr erworbenes Wissen und Können den Neueintretenden zur Verfügung, finanzieren mit ihrer Arbeit die anfangs wenig produktiven Neuankömmlinge und bleiben länger als nötig.
Die grosszügige Anlage verfügt über Wohnhäuser, aber auch über kleine Einfamilienhäuschen für Familien, einen Kindergarten, Schulen, ein Spital, Zahnarztpraxen, ein Tierspital, Werkstätten sowie über eine Reithalle, ein Kino, ein Theater, einen Sportplatz und ein Schwimmbad. Eindrücklich ist der für 1500 Personen konzipierte Essraum, wo sich dreimal täglich alle Dorfbewohnenden treffen.
Die Tische sind sorgfältig mit Stofftischtüchern und Blumengestecken gedeckt und freundliches Servierpersonal tut jeweils eine Woche lang Dienst.
Probleme, die in diesem gemeinschaftlichen Leben und während der Arbeit auftauchen, werden stets durch intensive, offene Gespräche gelöst. Das Therapiedorf bietet süchtigen Menschen eine Chance, von der Unfreiheit der Sucht loszukommen, wie sie in der Schweiz kaum zu finden ist.
In San Patrignano wird den Menschen Zeit gelassen, um Vertrauen zu den Mitmenschen, echte Freundschaften, Respekt den anderen gegenüber aufzubauen. Auch lernen sie wieder Hilfsbereitschaft und Pflichtbewusstsein. (www.sanpatrignano.org)
Unsere Forderung an die Verantwortlichen in der Schweizer Suchthilfe und Politik
Leider lassen die Verharmlosung, insbesondere des Betäubungsmittels Cannabis, die fehlende Frühinterventionen bei Kindern und Jugendlichen, die Versorgung von süchtigen Menschen mit den von ihnen gewünschten Rauschgiften, die nur 14-tägigen körperlichen Entzüge und die fehlenden, abstinenzorientierten Therapien (Heilbehandlungen) – wie in Artikel 1a des Betäubungsmittelgesetzes festgeschrieben – die für eine wirksame, nachhaltige Drogenpolitik erforderten Massnahmen vermissen.
Auch die hohen Kosten für die Steuerzahlenden für die süchtigen Sozialhilfe- und IV-Empfänger, die verabreichten von den Krankenkassen übernommenen Betäubungsmittel und die in der «Drogen-Sozialindustrie»-Angestellten müssen hinterfragt werden.
Die Schweizerische Vereinigung «Eltern gegen Drogen» verlangt, dass das Wohl unserer Kinder und Jugendlichen und die Sicherheit der ganzen Bevölkerung im Mittelpunkt der Drogenpolitik stehen muss.
Zur Person: Sabina Geissbühler-Strupler ist Präsidentin der Schweizerischen Vereinigung «Eltern gegen Drogen» und ehemalige SVP-Grossrätin im Kanton Bern. Sie ist Primar- und eidg. Dipl. Turn-/Sportlehrerin.