Keller (SP Bern): «Situation vor der Reitschule ist nicht einfach»
Die SP verurteile den Gewaltausbruch bei der Schützenmatte klar, sagt Barbara Keller (SP) im Interview. Für sie liegt der Schlüssel in der Präventionsarbeit.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Reitschule in Bern steht immer wieder im Mittelpunkt von Krawallen.
- Im Interview spricht Barbara Keller (SP) mit Nau.ch über mögliche Lösungsansätze.
- Zur Problemlösung, sagt sie, müsse man Menschen in prekären Umständen mehr unterstützen.
Die nächste Sitzung des Berner Stadtrats findet am 30. Mai 2024 statt. Eines der Hauptthemen ist die Reitschule – verschiedene Traktanden zur aktuellen Situation sind geplant.
Nau.ch hat bisher mit Franziska Geiser (GB) und Florence Pärli (FDP) über unterschiedliche Lösungsansätze gesprochen. Nun äussert sich Barbara Keller (SP). Für die Politikerin liegt der Schlüssel in der Präventionsarbeit, wie sie im Interview sagt.
Nau.ch: Die Reitschule macht immer wieder Schlagzeilen – vor zwei Wochen gab es erneut massive Ausschreitungen. Sind zusätzliche Massnahmen erforderlich?
Barbara Keller: Gewalt ist keine Lösung. Die SP verurteilt den Gewaltausbruch vor zwei Wochen bei der Schützenmatte klar. Wir rufen alle Seiten dazu auf, die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen.
Es müssen politische und sozialverträgliche Lösungen her, um die Situation auf der Schützenmatte zu verbessern. Ja, es braucht weitere Massnahmen, aber im Bereich der Prävention statt Repression.
«Reitschule ist und bleibt ein wichtiges Kulturzentrum der Stadt Bern»
Nau.ch: Der Sicherheitsdirektor Philippe Müller nannte eine temporäre Schliessung der Reitschule oder Kürzung der Gelder als mögliche Konsequenzen. Erachten Sie dies als sinnvoll?
Keller: Die Reitschule hat sich in einem offiziellen Statement von den Vorfällen distanziert. Trotz der langen Auseinandersetzung verhielten sich die Gäste der Reitschule ruhig. Sogar das kulturelle Programm wurde weitergeführt.
Dass nun trotzdem wieder Forderungen nach Kürzung der Gelder oder gar einer temporären Zwangsschliessung der Reitschule laut werden, um Ausschreitungen zu bekämpfen, zeigt, wie wenig jene Leute, die ebendies fordern, wirkliche Lösungen anstreben, sondern einfach reinen Populismus betreiben.
Für uns ist klar, die Reitschule ist und bleibt ein wichtiges Kulturzentrum der Stadt Bern, hinter dem wir mit voller Überzeugung stehen. Auch die Berner Stimmbevölkerung hat sich bereits mehrfach zu dem Thema geäussert und sich klar für die Reitschule ausgesprochen.
«Immer mehr Menschen mit prekären Lebenssituationen»
Nau.ch: Im Postulat «Streit um Polizeieinsätze – Deeskalation und Lösungsansätze?» wird der Gemeinderat nach deeskalierenden Massnahmen gefragt. Was braucht es Ihrer Meinung nach, damit Gewaltausbrüche gar nicht erst entstehen?
Keller: Die Situation vor der Reitschule ist aktuell nicht einfach. Das liegt daran, dass immer mehr Menschen mit prekären Lebenssituationen keinen anderen Ort mehr haben, wo sie hingehen können. Das ist erschreckend, aber leider nicht wirklich erstaunlich. Wir haben überlastete Psychiatrien, überfüllte Asylunterkünfte, überlastete Drogenabgabestellen und Notschlafstellen, die täglich Menschen wegschicken müssen.
Die Antwort mehr Repression – wie tägliche Personenkontrollen, Verhaftungen und Racial Profiling – führt zu einem sehr angespannten Klima vor Ort. Stattdessen sollten wir die Menschen unterstützen. Es braucht genügend Notschlafstellen, Drogenpräventionsmassnahmen – und Abgabestellen, aber auch Sozialarbeitende, die auf der Schützenmatte präsent sind.
Hier hat der Gemeinderat mit dem Pilotprojekt «Schutzmobil» bereits einen wichtigen Schritt gemacht. Auch das Gemeinschaftszentrum Medina leistet einen wichtigen Beitrag.
«Für mich liegt der Schlüssel in der Präventionsarbeit»
Nau.ch: Haben Sie weitere Vorschläge, um die Situation bei der Reitschule zu verbessern?
Keller: Für mich liegt der Schlüssel wie bereits erwähnt in der Präventionsarbeit. Niederschwellige Beratungs- und Unterstützungsarbeit tragen zur Verbesserung der Situation der Menschen bei. Der Zugang zu Hilfesystemen muss verbessert und niederschwelliger werden.
Denn wenn die Menschen andere Orte finden, wo sie toleriert und unterstützt werden, beruhigt sich die Situation am ehesten. Aus meiner Sicht wäre deshalb eine zweite Drogenabgabestelle in einem anderen Quartier mit anderen Öffnungszeiten dringend zu prüfen.
Zur Person: Barbara Keller ist Fraktionspräsidentin der SP/Juso-Fraktion im Berner Stadtrat und Präsidentin der Kommission für Soziales, Bildung und Kultur.
Beruflich setzt sie sich bei Caritas Bern als Leiterin Kommunikation, Fundraising und Support gegen Armut im Kanton Bern ein.