„Gute Führungskräfte sollen so sein wie Head Coaches im Basketball“
Vom Flüchtlingskind zum erfolgreichen Geschäftsmann. Vom stotternden Schüler zu einem der gefragtesten Speaker Europas. Vom Karrieisten zum empathischen Ratgeber. Der Österreicher Ali Mahlodji erklärt im Interview mit dem «The Red Bulletin Innovator» wie man nach oben kommt, glücklich wird und auf Ellbogen-Einsatz verzichten kann.
Das Wichtigste in Kürze
- Ali Mahlodji ist Unternehmer und EU-Jugendbotschafter.
- Er gründete eine Plattform, die Menschen inspirieren soll, ihren eigenen Weg zu gehen.
- Mahlodji selbst kam als Flüchtlingskind nach Österreich.
Text Credits: Christian Eberle-Abasolo, The Red Bulletin INNOVATOR
The Red Bulletin Innovator : Herr Malohji, die von Ihnen gegründete Plattform whatchado hilft einem seine Berufung zu finden. Mit kurzen Videos, in denen Menschen aus unterschiedlichen Berufen standardisierte Fragen beantworten müssen. Es beginnt immer mit drei Ratschlägen an das 14-jährige Selbst. Die drei Ratschläge aus Ihrem Video würde ich gerne näher besprechen.
Ratschlag Nummer 1: „Du bist gut genug, wie du bist. “ – Dem würde ich gerne den Satz „Zufriedenheit ist gefährlich“ von Marcel Hirscher gegenüberstellen.
Ali Mahlodji : Marcel Hirscher ist einer der besten Sportler unserer Zeit und seit Jahren im Wettkampf. Dort gibt es eigene Spielregeln. Dort wollen hundert andere deine Platzierung. Wenn du dich da nur ein einziges Mal zufrieden gibst, wirst du geschlagen.
Aber ist das Leben nicht auch ein Wettkampf?
Nein. Das Wettkampfdenken kam erst mit der Industrialisierung. Fabriken, Fliessbänder, Menschen, die du managen konntest. 8-Stunden-Tag, 40-Stunden-Woche, 25 Tage Urlaub. Wen gibt es in der heutigen Turbokapitalismus-Gesellschaft, der mit den Mitbewerbern in einem Wettkampf mit klaren Regeln steht? Freiwilliger Wettkampf wie im Sport ist super. Aber wenn du in einer Welt, die sich immer schneller dreht, glaubst, du bist ein Gehetzter, dann läufst du Gefahr, an einem Rennen teilzunehmen, das nicht deinem Tempo entspricht.
Ratschlag Nummer 2: „Du musst sinnlose Regeln brechen, nicht das Gesetz.“
Jede Regel hat irgendwo einen Grund, einen Ursprung. Das ist ja okay. Aber ist sie noch zeitgemäss? Das ist die Frage. Um den Fortschritt nicht zu bremsen, braucht es pragmatischen Ungehorsam.
Pragmatischen Ungehorsam?
Bei progressiven Unternehmen ermutigt man die Mitarbeiter, innerhalb eines Rahmens bis an die Grenzen zu gehen, meist auch etwas darüber hin aus. Nix kaputtmachen, aber sich lieber im Nachhinein zu entschuldigen. Es ist der einzige Weg, wie du in einer grossen Struktur dein Tempo fahren kannst. Sich nix pfeifen, aber das bewusst. Halligalli-Anarchie ist falsch.
Ratschlag Nummer 3: „Versuche alles zu erreichen, aber nicht mit Ellbogen.“
Sobald du deine Ellbogen ausfährst, wird es für alle anderen auch zur Normalität, die Ellbogen auszufahren. Doch Ellbogentaktik ist für Unternehmen nachgewiesenermassen eine der schlimmsten. Warum? Weil nicht die schlauesten Mitarbeiter nach oben kommen, sondern jene mit den stärksten Ellbogen.
Aber man kommt nach oben.
Ja, aber mit welcher Konsequenz? Wenn du mit Ellbogen arbeitest, kannst du sicher sein, dass dich die anderen Ellbogen-Typen jagen werden. Du kannst niemandem vertrauen. Was dir alle Zukunftsforscher bestätigen werden: In der heutigen komplexen Welt führst du Unternehmen, egal ob Konzerne oder Start-ups, am schnellsten durch Vertrauen. Wenn keiner Angst hat, das Hackl ins Kreuz zu bekommen, gehen Entscheidungen schneller von der Hand.
Wer Ellbogen ausfährt, wird von anderen gejagt, okay. Wenn ich sie aber nicht ausfahre, gehe ich unter. Dann werde ich untergebuttert.
Es sagt keiner, dass du dich nicht wehren kannst. Wenn einer mit Ellbogen kommt, bekommt er natürlich auch Ellbogen zurück.
Das überrascht.
Wenn du angegriffen wirst, musst du dich wehren. Stell dich hin, beharre auf deinem Standpunkt. Aber geh nicht schon in Kampfhaltung in ein Treffen. Jedes Business, das ich mache, beruht auf Handschlagqualität, auf Vertrauen. Wenn mich aber einer übers Ohr hauen will, dann bekommt er das zu spüren. Kommt einer von Beginn an mit Verträgen und Regeln, sage ich: „Nicht mit mir. Fertig. Aus. Erledigt. Du hast hier nichts verloren.“
Wieso wird in vielen Unternehmen dennoch auf Aggressivität gesetzt?
In der Start-up-Welt spricht man von einem Kriegs-CEO oder von Kampf- Führungskräften. Google hat etwa in einer Phase des aggressiven Wachstums auf Manager gesetzt, die mit Ellbogentechnik agierten. Und das war für kurze Zeit sogar gut. Sie haben bewiesen, dass sie es können. Dann haben sie ihr Management-Modell umgestellt und den internen Krieg für beendet erklärt.
Was ist, wenn eine neue Position ausgeschrieben wird? Die einen kämpfen mit allen Mitteln darum, die anderen nicht. Kann es nicht sein, dass fair zu kämpfen als mangelnder Ehrgeiz angesehen wird?
Ich spreche oft mit HR-Leitern. Bei einem Assessment Center suchen sie durchsetzungsfähige Mitarbeiter, das stimmt. Aber Durchsetzungskraft in einem guten Unternehmen bedeutet, sein Team hinter sich zu versammeln. Ein Teilnehmer, der sich durchsetzt, zur Lösung kommt, dabei aber verbrannte Erde hinterlässt, dem wird beim nächsten Projekt keiner folgen. Den wird man eher fallenlassen. Bewerber, die über Leichen gehen, werden nicht angestellt. Es setzen sich jene durch, die einem Team das Gefühl geben, es gemeinsam geschafft zu haben.
Also hat eine Veränderung im Recruitment stattgefunden. Früher war es ja nahezu ein Pflicht-Attribut eines erfolgreichen Menschen, über Leichen zu gehen.
Es gibt immer noch vereinzelt Cowboys und Rambos. Aber die Wirtschaft ist zu dynamisch geworden. Du musst Aufgaben lösen, von denen vor zehn Jahren niemand gewusst hat, dass sie zu lösen sind. Da bist du auf ein gutes Team angewiesen. Was hilft dir ein Chef, der seine Ziele im Quartal erreicht, aber viele Mitarbeiter verliert, weil sie unter ihm nicht weiterarbeiten wollen? Gute CEOs sind nicht die beste Person am Tisch, sondern haben um sich herum Leute versammelt, die besser als sie selbst sind. Sie koordinieren sie, motivieren sie, lassen sie um sich herum wachsen.
Erinnert an Ihre Aussagen: „Gute Führungskräfte sollen so sein wie Head Coaches im Basketball.“
Head Coaches erzielen keine Punkte selbst. Sie wissen aber, wer aus ihrem Team den Korb wirft. Ein guter Coach stellt das Team zusammen, setzt die richtigen Leute auf die richtigen Positionen und schwört sie auf die Meisterschaft ein. Er schreit vielleicht hin und wieder von aussen, aber spielen tun die anderen. Das ist der Schlüssel zum Erfolg.
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