Kommt bald die Fünf-Stunden-Arbeitswoche
Der Achtstundentag hat ausgedient. Das finden auf jeden Fall zwei Unternehmer in Deutschland und Australien. Testweise reduzierten sie die Arbeitszeit pro Tag auf fünf Stunden. Obwohl nicht alles perfekt ist, sind die Mitarbeiter begeistert.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Achtstundentag habe ausgedient, sagen zwei Firmen in Deutschland und Australien.
- Um die Produktivität zu steigern und Leerläufe zu eliminieren, haben sie den Fünfstundentag eingeführt.
- Nach einigen Monaten Testphase sind die Mitarbeitenden überaus zufrieden.
Hand aufs Herz: Wie viele von den acht Arbeitsstunden pro Tag arbeiten Sie wirklich? Dass Arbeits- und Freizeit sich immer mehr vermischen, ist nichts Neues. Noch ein paar Mails im Zug nach Hause, ein kurzes Telefonat, bevor die Schwiegereltern zu Besuch kommen – längst kritisieren Gewerkschafter und Politiker, dass Arbeitnehmer je länger je weniger Freizeit haben. Was dabei vergessen geht: umgekehrt ist es oft genauso. Eine Reservation fürs Abendessen, der ständig vibrierende WhatsApp-Gruppenchat, das lustige Katzenvideo des Kollegen: auch während der Präsenzzeit am Arbeitsplatz ist nicht immer nur Arbeiten angesagt. Ist es an der Zeit, den Achtstundentag, der noch aus den Zeiten des Drei-Schichten-Betriebs in den Fabriken kommt (darum auch die acht Stunden), komplett über den Haufen zu werfen? Ja, sagen Unternehmen in Australien und Deutschland.
Mehr als fünf Stunden geht nicht
Sie testen momentan ein neues Modell: fünf Stunden Arbeit am Tag, danach ist Feierabend. In den fünf Stunden wird ohne Ablenkung gearbeitet. Mehr sei ohne massive Produktivitätseinbussen ohnehin nicht machbar. Die Belegschaft war zunächst skeptisch, ist aber mittlerweile vollumfänglich zufrieden.
Gleiche Arbeit in fünf Stunden statt acht
Zwei der Unternehmen, in denen die neue Arbeitszeit getestet wurden, arbeiten in unterschiedlichen Branchen. Jonathan Elliot, Inhaber einer Consulting-Firma im Finanzbereich, kam auf die Idee, als er gezwungen war, früher nach Hause zu gehen. Seine Frau musste sich gleich nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes wegen Krebs behandeln lassen. Er erkannte: plötzlich erledigte er die gleiche Arbeit in fünf Stunden, für die er vorher acht Stunden gebraucht hatte. Und er dachte sich: wenn das bei mir funktioniert, warum nicht auch bei anderen? Flugs war die Änderung etabliert.
Bemerkenswerter Effekt
Der Effekt sei bemerkenswert, die Änderung habe voll eingeschlagen und werde nicht mehr rückgängig gemacht. Die Leute sind weniger oft krank, die Produktivität höher, die Mitarbeiter zufriedener. Junge Talente, angelockt durch das Arbeitszeitmodell, konnten verpflichtet werden. Auch die Kunden seien zufrieden. Unter dem Strich bleibe für sie das Ergebnis gleich.
Produktivität steigt
Statt also, wie früher fünf Stunden künstlich auf einen Achtstundentag auszudehnen und abzuwarten, bis sie endlich nach Hause durften, sind die Angestellten produktiver und schneller. Auch nach dem Feierabend. Wenn man um 13 Uhr schon heim kann, hat man im Normalfall auch kein Problem damit, eine Idee, die man beim Golfen hat aufzuschreiben, oder noch einen kurzen Anruf zu tätigen.
Stressiger Morgen, entspannter Nachmittag
Alles ist also nicht unbedingt positiv, denn dabei bleibt die Vermischung von Arbeits- und Freizeit dennoch ein Problem. Nur sind die Mitarbeiter viel entspannter und zufriedener. Dass man morgens auch ein bisschen mehr Stress erträgt, wenn man am Nachmittag frei hat, merkte der Bielefelder Webunternehmer Lasse Rheingans, der dasselbe Modell wie Elliot einführte: Arbeitsbeginn zwischen acht und neun Uhr, Feierabend um ein bis zwei Uhr. Es sei leiser geworden im Büro, die Leute arbeiteten konzentrierter, weil sie sich weniger ablenken liessen. Kein Wunder, denn das Pensum ist noch dasselbe, nur stehen dafür nicht mehr acht, sondern fünf Stunden zur Verfügung.
Lange Meetings sind passé
Das würde so einfach nicht funktionieren, wenn nicht auch einige Zeitfresser wie endlos lange Meetings abgeschafft wurden. Gespräche sind zielführender und zum Thema, für alles andere hat man jetzt ja den ganzen Nachmittag Zeit, da muss Privates nicht im Büro besprochen werden. Sie müsse «in den Tunnel gehen», sagt eine Mitarbeiterin. Die Zeit im Büro sei durchaus stressiger geworden. Dafür kann sie nachmittags ausgiebig mit dem Hund spazieren gehen. Sie besucht einen Malkurs und nimmt Klavierstunden.
Vorteile überwiegen
Für beide Firmen gilt: die Vorteile des Fünfstundentages überwiegen. Beide können sich nicht vorstellen, zur normalen Arbeitszeit zurückzukehren. Ein Modell, das bald auch in der Schweiz Einzug hält?