Sergio Marchionne: Blocher-Freund und Fiat-Retter

Michael Bolzli
Michael Bolzli

Zürich,

In der Schweizer Wirtschaft kennt man Sergio Marchionne. Als Alusuisse-Chef sorgte er bei SVP-Patron Blocher für einen Geldsegen.

In der Schweizer Wirtschaftswelt ist Sergio Marchionne ein bekanntes Gesicht.
In der Schweizer Wirtschaftswelt ist Sergio Marchionne ein bekanntes Gesicht. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Sergio Marchionne hat Martin Ebner und Christoph Blocher viel Geld eingebracht.
  • Als Fiat-Chef rettete er das Unternehmen vor dem Ruin.

In Italien ist Sergio Marchionne für viele ein Held. Er hat Fiat gerettet, loben Journalisten. Jetzt kämpfen Ärzte im Unispital Zürich um das Leben des Sanierers. Glaubt man italienischen Medien, liegt der 66-Jährige im Koma.

In der Schweizer Wirtschaftswelt ist Marchionne bekannt. Zwischen 2007 und 2010 sass er im Verwaltungsrat der UBS. Nach der Jahrtausendwende übernahm er das Ruder beim angeschlagenen Warenprüfungskonzern SGS. Dort war er bis am Wochenende Verwaltungsratspräsident.

«Mehr Shareholder-Value!»

Für Aufmerksamkeit sorgte der Italo-Kanadier Ende der 90er Jahren. Damals übernahm er überraschend das Ruder bei Alusuisse. Als Chef hatte er eine klare Mission: «Ich werde alles unternehmen, um den Shareholder-Value zu steigern», sagte er beim Amtsantritt. Das gefiel Bankier Martin Ebner und SVP-Vater Christoph Blocher. Sie stiegen beide beim Walliser Traditionsunternehmen im grossen Stil ein. Monate später der Putsch: Blocher wurde Präsident, Ebner Vize im Verwaltungsrat.

Die Grossaktionäre sprachen von einem «langfristigen Investment». Das war es nicht. Das Geschäft lief zwar noch glänzend, doch Preiszerfall beim Rohaluminium drohte. Die Lösung von Blocher, Ebner und Marchionne: Sie teilten die Firma in die Chemiesparte Lonza und den Aluverarbeiter Alusuisse. 1,7 Milliarden flossen in die Lonza, bei Alusuisse leerten sie die Kassen. Die Trümmer verscherbelten sie nach Kanada. Für Blocher und Ebner sprang dabei fast eine halbe Milliarde raus. Sanierer Marchionne hat volle Arbeit geleistet.

Haben gut verdient: Ebner, Marchionne und Blocher.
Haben gut verdient: Ebner, Marchionne und Blocher. - Keystone

Als Fiat-Chef übernahm er 2004 einen Scherbenhaufen. Also baute Marchionne auch den italischen Autobauer um: Er schloss Werke, investierte weniger in Neuwagen, führte längere Produktzyklen ein. Was nicht rentierte, musste weg. Die Traditionsmarke Lancia vernachlässigte er erst, später stampfte er sie ein. Bei Fiat verkleinerte er das Portfolio, lancierte mit dem 500 einen Verkaufsschlager. Sein grösster Coup während der Fiat-Ära ist die Chrysler-Übernahme. In der Finanzkrise krallte sich der Manager einen Autobauer, der so schlecht dastand, dass er beim Staat um Geld betteln musste. Marchionne harrte die Krise aus, baute Chrysler nicht um. Ein richtiger Entscheid. Der Wirtschaftsmotor kam wieder in Fahrt, der Ölpreis gab nach und die spritsaufenden Ami-Schlitten waren wieder gefragt. Fiat Chrysler ist heute schuldenfrei. Letztes Jahr fuhr der italienisch-amerikanische Autohersteller einen Rekordgewinn von 3,5 Milliarden Dollar ein.

Kein Auto-Narr

«Marchionne interessierte sich eigentlich nie für Autos. Er war kein Auto-Narr, keiner dieser Manager, die sich gerne am Auspuff schnüffelnd fotografieren lassen», sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer der «Handelszeitung». «Er agierte emotionslos, unkonventionell und hatte eine riesige Machtfülle. Er wollte immer Alleinherrscher sein.»

In E-Mobilität oder autonomes Fahren hat der Fiat-Chrysler-Chef nie investiert. Ihm fehlte dafür schlicht das Geld. Zudem hat er sich nie für neue Technologien interessiert. «Bei Technik ist Marchionne ein Opportunist», erklärt Dudenhoffer. «Aber er gehörte zu den ersten, die zu Uber und Google gingen, um mit denen zu kooperieren.»

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