Zum Après-Ski nach Rotterdam

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Niederlande,

Die Niederlande gelten nicht gerade als Skination. Wie ein Besuch in Rotterdam zeigt, ist das aber kein Grund, auf Après-Ski-Partys zu verzichten.

Après Ski Rotterdam
«De Après Skihut» in Rotterdam: Weit und breit kein Schnee, und trotzdem beste Après-Ski-Stimmung. - De Après Skihut

Das Wichtigste in Kürze

  • Rotterdam ist trotz fehlender Skipisten eine Hochburg des Après-Ski.
  • Unsere Reporterin hat sich vor Ort umgesehen und mitgefeiert.

Wer nicht auf den Tischen tanzt, fällt auf. Zwei Frauen in Shorts und Trägertops stehen auf dem Tresen und machen die Tanzbewegungen zum Après-Ski-Evergreen «Cowboys und Indianer» vor. Etwa hundertfünfzig Leute lassen synchron ihr Handgelenk über dem Kopf kreisen, als würden sie ein Lasso schwingen. Eine Gruppe junger Männer tanzt auf den Holztischen.

Vor der Bar stehen zwei Frauen mit Krönchen und Penis-Ballonen, ihre Freundinnen tragen Banner mit der Aufschrift «Team Bride». Sie alle halten unsichtbare Zügel in der Hand und galoppieren im Takt auf der Stelle.

Es ist Samstagabend, halb elf Uhr. Dieselbe Szene erlebt man im Après-Ski regelmässig: Nach einem langen Tag auf der Piste wird auf den schönen Schnee angestossen. Alt und Jung kommt bei Schlagermusik mit Elektrobeat zusammen, man trinkt, man tanzt – je ausgelassener, desto besser.

Party Ski Rotterdam
Die Stimmung in der «De Après Skihut» ist ausgelassen. - De Après Skihut

In Wahrheit war keiner der feiernden Gäste an diesem Tag auf irgendeiner schneebedeckten Piste unterwegs. Der Sommer ist gerade erst vorbei, draussen sitzen die Leute noch im T-Shirt. Und auch die Musik ist anders.

Anstelle von «Wir reiten um die Wette, ohne Rast und ohne Ziel» lautet der Refrain auf einmal: «We rijden over prairies, steeds op zoek naar avontuur!» (Auf Deutsch etwa: «Wir fahren durch Prärien, immer auf der Suche nach Abenteuern!»)

Wir befinden uns mitten im Stadtzentrum von Rotterdam. In der Bar «De Après Skihut» am Stadhuisplein 29 ist dem Après-Ski kein Ende gesetzt. Sieben Tage die Woche wird hier auf den Tischen getanzt. Auf der Speisekarte stehen österreichische Spezialitäten, und deutsche Schlager dröhnen in niederländischer Übersetzung aus den Boxen!

Aber wie kommt's, dass ausgerechnet Rotterdam, eine Stadt, deren nächste Skipiste dreihundert Kilometer entfernt liegt, zur Hochburg des Après-Ski wurde?

Funkensprühende Ski

Die «Après Skihut» ist einem klischeehaften Chalet-Stil nachempfunden. Holztische, Ski an der Wand. Die Tür zu den Toiletten ziert ein gespraytes Porträt des Bernhardiners Barry, der DJ steht in einer alten Gondel. Im unteren Teil der Bar blickt Heidi Klum im Dirndl durch ein Fenster an der Wand.

Die «Après Skihut» wurde 1997 von dem Gastrounternehmer Chiel Jongejan gegründet. Die Idee dazu kam ihm in einem Skiurlaub im österreichischen Westendorf. Jongejan, damals 21 Jahre alt, hatte in seiner Jugend stark unter seinem ADHS gelitten.

Im Après-Ski fand er eine Zuflucht: «Ich sah Menschen an langen Tischen miteinander feiern und tanzen», erzählt er. «Niemand wurde schräg angeschaut, weil er anders war. Alle waren gleich!»

Ski Party Rotterdam
Die «Après Skihut» von aussen, mit dem Rotterdamer Rathaus im Hintergrund. - Noemi Harnickell

Etwas Glück und ein Darlehen seiner Eltern erlaubten Jongejan elf Jahre später, ein heruntergekommenes Lokal am Stadhuisplein zu kaufen. In den ersten Tagen nach der Eröffnung am 31. Januar 1997 lockte Jongejan auf Ski Passanten in die Bar.

«Die Leute dachten, ich hätte den Verstand verloren», erinnert er sich. «Und sie hatten ja nicht einmal unrecht.» Durch die Reibung auf den Strassenkacheln sprühten Funken von seinen Ski – und die sprangen sinnbildlich auf die Leute über.

«Ademloos»

Eine halbe Stunde vor Mitternacht. Ein Kellner, erkennbar an seinem gelben T-Shirt, steigt auf den Tresen, Mikrofon in der Hand. Jetzt ist Livemusik angesagt.

Die Melodien, die er ins Mikrofon grölt, erscheinen mir altbekannt, auch wenn die Texte alle auf Niederländisch sind. Aber genau das ist der Reiz dieser Musik: Man muss ein Lied nicht kennen, um mitsingen zu können.

«Maak een polonaise!», ruft der Kellner-Sänger in die tanzende Meute. Plötzlich spüre ich zwei Hände auf meiner Schulter. Der nackte Rücken einer mir fremden Frau drückt sich von vorne gegen mich, und schon werde ich mitgerissen.

«Lalalalala-Laaaaa-Lala!»

Der Liedtext verliert an Bedeutung, die Musik ist nur noch ein Beben, das uns alle erfasst. Die Sorgen und der Stress des Tages spielen plötzlich keine Rolle mehr.

Skipass Rotterdam Party
Für den Einlass ins Lokal braucht's einen «Skipas». - Noemi Harnickell

Niemand macht nicht mit, alle klammern sich an jemandes Schultern. Nur ja nicht loslassen! Ein Lachen geht durch die Frau vor mir, mehr Gefühl als Geräusch, während wir uns durch die Bar schlängeln.

Die Hände lösen sich wieder von meinen Schultern. Ich hole tief Luft. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes «atemlos» – oder sollte ich besser sagen: Ich fühle mich «ademloos door de nacht»!

Es scheint mir, als hätten die Niederländer das Beste am Skifahren entdeckt: die Geselligkeit danach – und diesen Teil in ihre Kultur integriert!

Pistensex

Die Niederländer lieben nicht nur das Après-Ski, sondern auch den Schneesport. Das Volk aus dem Flachland ist nicht nur für seine Feiern berüchtigt, sondern gilt auch auf der Piste als wild. Angeblich sollen zwanzig Prozent aller Befragten in einer Studie zugegeben haben, schon mal Sex auf der Piste gehabt zu haben. Zehn Prozent seien schon nackt Ski gefahren.

Ski Party Rotterdam
Bei der Party machen alle mit. - Noemi Harnickell

Davon ist in der «Après Skihut» nichts zu spüren. Die Gäste sind wild gemischt in Alter, Geschlecht und sexueller Orientierung. Nirgends landet eine Hand ungefragt auf einem Hintern.

Die beiden Frauen auf dem Tresen bekommen keine unangemessenen Sprüche zu hören. Es ist ein Safe Space, wie Après-Ski ihn sonst selten bietet.

Party geht weiter

Als ich «De Après Skihut» irgendwann in den frühen Morgenstunden verlasse, hat sich vor dem Eingang eine lange Schlange gebildet. Draussen sitzen Leute an runden Tischen, zwischen denen kleine Feuer lodern.

Ich kehre am nächsten Vormittag um zehn zurück, halb in der Erwartung, eine komplett andere Bar vorzufinden. Wo bis um fünf in der Früh gefeiert wurde, kann sicherlich ein paar Stunden später nicht schon wieder Partystimmung herrschen? Aber da unterschätze ich die Niederländer.

Aus den Boxen dröhnt schon wieder irgendein Schlager, diesmal einer, den ich nicht kenne. Ein Kellner in gelbem T-Shirt nimmt meine Bestellung auf («Apfelstrudel met Vanillesaus & Slagroom»). Beim Refrain des Liedes singt er laut mit und tänzelt im Takt hinter dem Tresen.

Apfelstrudler Party Rotterdam
Verpflegung für zwischendurch: ein Apfelstrudel. - Noemi Harnickell

Natürlich ist nichts an der «Après Skihut» authentisch schweizerisch oder österreichisch. Aber gerade das macht sie zum authentischen Après-Ski-Erlebnis: Musik, ausgelassene Stimmung, Alkohol, Bilder von Heidi Klum im Dirndl, schlechter Apfelstrudel.

Après-Ski zeichnet sich dadurch aus, dass es immer gleich ist. Man erkennt es wieder, man weiss sofort, wo man ist und wie es geht, man ist sofort dabei. «Kom pak je lasso maar!» («Schnapp dir dein Lasso!»)

Anreise im Zug

Von Basel nach Amsterdam verkehrt ein direkter Nachtzug. Dauer: zehn Stunden, drei verschiedene Komfortzonen verfügbar (Schlaf-, Liege- oder Sitzwagen).

Von Amsterdam fahren Schnell- und Regionalzüge alle zehn Minuten nach Rotterdam. Fahrtdauer: zwischen 45 und 75 Minuten.

Rotterdam ist in 40 Minuten von Amsterdam mit dem Schnellzug zu erreichen. Von Rotterdam Centraal ist «De Après Skihut» fünf Gehminuten entfernt.

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