Ende der Milliardensause: Unsicherer Transfermarkt öffnet
Der längsten Saison folgt die längste Transferphase. Bis zum 5. Oktober werden aufgrund der Unwägbarkeiten durch das Coronavirus Spielerwechsel möglich sein. Doch den Markt beherrscht vor allem eine grosse Unsicherheit.
Das Wichtigste in Kürze
- Neue Preise, geringere Gehälter, schmalere Budgets: Wenn am 1. Juli das Transferfenster erstmals öffnet, bestimmen Zweifel und Unsicherheit wie nie zuvor den Markt.
Zwar wird die Wechselphase mit kurzer Unterbrechung bis zum 5. Oktober und damit so lange wie noch nie andauern, doch die Milliardensause der vergangenen Jahre dürfte beendet sein. Selbst Festgeldkonto-Könige wie der FC Bayern München üben sich in Zurückhaltung.
«Der Transfermarkt wird sich verändern. Es ist nicht viel Liquidität vorhanden, es fehlt also an Nachfrage. Nicht aber am Angebot an wechselwilligen Spielern. Das wird die Preise neu justieren», sagte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge kürzlich dem «Handelsblatt». Vor fünf Jahren hatte es in der Bundesliga durch Ein- und Verkäufe erstmals einen Milliardenumsatz gegeben. Im vergangenen Sommer gaben die hiesigen Clubs 926 Millionen Euro für neue Spieler aus, nahmen 656 Millionen ein.
Auf der Ausgabenseite wäre ohne Corona womöglich die Marke von einer Milliarde gefallen. Doch in der neuen Situation sind Ablösesummen von 100 Millionen Euro und mehr vorerst offenbar Vergangenheit. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass in dieser Saison in Deutschland oder auch sogar Europa so viel Geld für einen Spieler gezahlt wird», sagte Rummenigge.
Bei Wunschkandidat Leroy Sané kommt den Bayern die neue Situation gelegen. Zudem war der Nationalspieler mit einer schweren Kreuzbandverletzung lange verletzt und besitzt bei Manchester City nur noch einen Vertrag bis 2021. Trotzdem schlagen die Bayern nicht kompromisslos zu. «Ich wehre mich dagegen, auch bei 30 oder 40 Millionen, egal für welchen Spieler, dass das Peanuts oder kleinere Summen wären in der heutigen Zeit», sagte Vorstandsmitglied Oliver Kahn. Man sei gut beraten, eine gewisse Vorsicht walten zu lassen.
Ein gewisser Druck ergibt sich aktuell ohnehin nur durch mit Fristen verbundene Klauseln. Bestes Beispiel dafür ist der Wechsel von Nationalspieler Timo Werner von RB Leipzig zum FC Chelsea für die fixe Ablöse von 53 Millionen Euro. Es könnte für einige Wochen der einzige grössere Transfer bleiben. «Der Transfermarkt wird erst richtig in Schwung kommen, wenn die anderen grossen Ligen zu Ende sind. Ich rechne damit, dass sich alles nach hinten verschiebt», sagte Sportdirektor Markus Krösche.
Der Deutsche Fussball-Bund folgte am Montag der Empfehlung der Europäische Fussball-Union und verlängerte die Öffnungszeit. Am 1. Juli darf einen Tag lang gewechselt werden, um vor allem schon zu diesem Datum ausgehandelte Transfers endgültig perfekt zu machen. Nach zwei Wochen Pause öffnet der Markt dann vom 15. Juli bis 5. Oktober. Andere Nationalverbände dürften demnächst ähnliche Regelungen beschliessen, Sonderwege sind aber nicht ausgeschlossen.
Mitten ins Transferfenster hinein fällt das Finalturnier der Champions League. Zwar dürfen bei den Spielen im August in Lissabon keine Neuverpflichtungen eingesetzt werden. Doch die Lage mit geliehenen Spielern ist grösstenteils ungeklärt. Bei den Bayern trifft es die Personalien Ivan Perisic, Coutinho und Alvaro Odriozola. Leipzig wird definitiv ohne Werner auskommen müssen, darf aber auf Einsätze der Leihgaben Patrik Schick (AS Rom) und Angelino (Manchester City) hoffen.
Bayer Leverkusens Geschäftsführer Rudi Völler hat bereits klargestellt, vor dem Ende der Europa League keinen Spieler gehen zu lassen. Das gilt natürlich auch für den von vielen Top-Clubs umworbenen Kai Havertz. Bayer muss noch sein Rückspiel gegen die Glasgow Rangers austragen, steht aber nach dem 3:1 im ersten Aufeinandertreffen so gut wie sicher im Viertelfinale. Eintracht Frankfurt wird ohne die Spieler gegen den FC Basel (Hinspiel 0:3) antreten, deren Verträge am 30. Juni auslaufen. Gleiches gilt beim VfL Wolfsburg (bei Schachtjor Donezk/Hinspiel 1:2).
Sollte der Transfermarkt dann gegen Ende August in Bewegung kommen, wird sich die Art der Geschäfte wohl verändern. «Es könnte sein, dass es vermehrt zu einem Spielertausch kommen könnte», meinte Hoffenheims Sportchef Alexander Rosen. «Es wird vermehrt zu Leihen kommen.»
Beim Salär müssten die Profis Abstriche machen. «Die Gehälter werden kaum zu steigern sein, das gilt selbst für Topspieler», betonte Rummenigge. Da wird es selbst beim FC Bayern Einschnitte geben. «Viele europäische Clubs haben angekündigt, ihre Payroll herunterzufahren. Auch wir werden vorsichtiger damit umgehen.»