Euro 2020: Rassistische Beleidigungen schocken England
Mehrere englische Stars werden nach der Finalniederlage an der Euro 2020 rassistisch beleidigt. Das sorgt auf der Insel für Unmut.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach dem verlorenen EM-Final gehen englische Fans auf die eigenen Spieler los.
- Mehrere Fussballer werden rassistisch beleidigt.
- Gary Neville sieht die Schuld auch beim Premierminister Boris Johnson.
Fussballfans von ihrer üblen Seite: Nach den verschossenen Elfmetern brechen sich rassistische Beleidigungen gegen englische Spieler Bahn. Englische Politiker verurteilen das Verhalten.
«Dieses England-Team verdient es, als Helden verehrt und nicht rassistisch beschimpft zu werden», twitterte Premierminister Boris Johnson. «Die Verantwortlichen für diese entsetzlichen Beschimpfungen sollten sich schämen.»
Üble Beschimpfungen und Verwünschungen
Prinz William sprach von «abscheulichem Verhalten». «Es muss jetzt aufhören, und alle Beteiligten sollten zur Rechenschaft gezogen werden», twitterte der Queen-Enkel.
Die Europameisterschaft war bis zum Final von gesellschaftlichen Themen wie der Debatte über Alltagsrassismus durchzogen gewesen. Ausgerechnet die Nationalmannschaft Englands, die vor jedem Spiel bei der EM auf ein Knie gegangen war, um gegen Rassismus und Diskriminierung zu protestieren, wurde nun zum Abschluss von üblen Beschimpfungen und Verwünschungen heimgesucht.
Der konservative Politiker Johnson und seine Innenministerin Priti Patel hatten jedoch zuvor durchaus immer wieder Verständnis für Menschen gezeigt, die ihren Unmut über das Knien der Spieler gegen Rassismus sowie die Bewegung Black Lives Matter äusserten. Nach dem Brexit als verbindendes Thema haben die Tories nun vielfach den War on Woke als Thema für sich entdeckt, also das Engagement gegen allzu waches Eintreten gegen Rassismus und zu viel politische Korrektheit.
Neville kritisiert Johnson
Ex-Profi Gary Neville machte Johnson persönlich für die rassistischen Beleidigungen verantwortlich. «Der Premierminister hat gesagt, es sei in Ordnung für die Bevölkerung des Landes, Spieler auszubuhen, die versuchen, Gleichberechtigung zu fördern und Rassismus zu verteidigen», sagte der TV-Kommentator dem Sender Sky News. «Es fängt ganz oben an.»
Bukayo Saka (19) vom FC Arsenal hatte im verlorenen Finale gegen Italien den letzten Elfmeter vergeben. Zuvor hatten schon Marcus Rashford (23) von Manchester United und Jadon Sancho (21), der vor einem Wechsel von Borussia Dortmund zu Manchester United steht, verschossen. Alle drei sind schwarz.
Italien gewann das Elfmeterschiessen 3:2. Daraufhin wurden die Fehlschützen in Sozialen Netzwerken rassistisch beleidigt. In der Nähe von Manchester wurde ein Wandgemälde beschädigt, das Rashford zeigt. Der Stürmer hat sich wiederholt für Belange sozial schwacher Kinder eingesetzt.
Massnahmen gegen Post-Verfasser
Der britische Sportminister Oliver Dowden twitterte, er teile die Wut auf die «erschreckenden rassistischen Beschimpfungen auf die heldenhaften Spieler». Er kündigte an, die Social-Media-Netzwerke in die Pflicht nehmen zu wollen, solche Äusserungen nicht zu verbreiten.
Instagram-Eigner Facebook betonte in einer Stellungnahme, niemand dürfe Opfer rassistischer Beleidigungen werden. «Wir haben gestern Abend schnell Kommentare und Konten entfernt, die Englands Fussballer beleidigt haben, und werden weiterhin Massnahmen gegen diejenigen ergreifen, die gegen unsere Regel verstossen.»
Vor Johnson und Dowden hatte sich schon der englische Fussballverband über den Rassismus online erschüttert gezeigt. Die Londoner Polizei twitterte: «Dieser Missbrauch ist absolut nicht akzeptabel, wird nicht toleriert und untersucht werden.»
«Absolut zum Kotzen»
Der frühere englische Fussballstar Alan Shearer sagte im BBC-Frühstücksfernsehen mit Blick auf die rassistischen Äusserungen: «Was stimmt mit solchen Leute nicht? Das ist absolut zum Kotzen.» Er bewundere jeden, der für England den Mut gehabt habe, einen Elfmeter zu schiessen.
Der in Sri Lanka geborene Journalist, Unternehmensberater und Musiker Stephan Anpalagan, Gründer und Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation «Demokratie in Arbeit», twitterte in der Nacht zum Montag:
«An diesem Abend, in dieser Nacht sind die Schwarzen Schuld. Und sie sollen bezahlen, nötigenfalls mit ihrem Leben. Im Jahr 2021. Mitten in Europa. Wegen eines verlorenen Fussballspiels. Man kann es nicht glauben, man will es nicht glauben.» Und: «Die Firnis der Zivilisation ist dünn. An manchen Tagen ist sie sogar durchsichtig und erlaubt einen Blick in die Unterwelt.»