Ingrid Klimke: Vielseitigkeits-EM nach Unfall mehr als ein Titel

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Avenches,

Bei einem Unfall im April 2021 verletzte sich die Reiterin Ingrid Klimke schwer. Nun kann sie schon wieder an der Vielseitigkeits-EM antreten – ein Wunder.

Ingrid Klimke
Ingird Klimke wird an der EM in Avenches antreten. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Ingrid Klimke tritt an der Vielseitigkeits-EM an.
  • Dies ist ihrem Willen und Optimismus zu verdanken.
  • Sie hatte sich erst im April 2021 schwer verletzt.

Eine schwere Verletzung nach einem Sturz verhindert den Olympia-Start von Ingrid Klimke in Tokio. Die Vielseitigkeitsreiterin muss pausieren. Erst nach Wochen meldet sie sich bei einem Turnier zurück - und gewinnt. Nun steht die EM an, und sie hat Grosses vor.

Die Folgen ihres schweren Sturzes spürt Ingrid Klimke am wenigsten, wenn sie auf einem Pferd sitzt. Nur wenn die Ausnahme-Vielseitigkeitsreiterin absteigt, stört sie bisweilen die Schwäche im linken Arm im normalen Alltag. Dass die 53-Jährige nur so kurze Zeit nach dem Unfall wieder im Sattel sitzt, ist Ergebnis ihres Willens und Optimismus. Nun reitet sie bei den Europameisterschaften im schweizerischen Avenches wieder um Titel – ein kleines Wunder.

Ingrid Klimke
Ingrid Klimke in Aachen. - Keystone

«Es hätte auch schlimmer ausgehen können», sagt Klimke. Beim Vielseitigkeitsturnier in Baborówko in Polen war sie am 30. Mai mit ihrer jungen Stute Cascamara gestürzt. «Ein Missverständnis» zwischen ihr und dem Pferd, wie sie der «Frankfurter Allgemeine Zeitung» erklärte.

Cascamara blieb an einem Hindernis hängen. Ingrid Klimke fiel, die Stute stürzte neben sie. Als das Pferd aufstand, rollte es sich über seine Reiterin. Das Schreckensszenario aller Vielseitigkeitsreiterinnen und -reiter.

Ingrid Klimke erlitt schwere Verletzungen

Klimkes Brustbein wurde bei dem Unfall gebrochen, das Schlüsselbein nach innen gesprengt. Die Luftröhre wurde dadurch gedrückt. Das Atmen, das Sprechen und auch das Schlucken fielen ihr lange schwer. Ihr Glück war, dass Teamarzt Manfred Giensch bei dem Unfall dabei war.

Sechs Wochen war Klimke mehr oder minder ruhiggestellt. Für jemanden wie sie, die einen kaum zu stoppenden Aktivitätsdrang hat, etwas Ungewohntes. Denn sie ist nicht nur Berufsreiterin, leitet ihren eigenen Stall und bildet Pferde aus.

Sie arbeitet auch als Dozentin bei Lehrgängen, ist sozial vielfältig engagiert und schreibt Bücher. Zudem gibt zwei Mal im Jahr ein Magazin mit ihrem Namen als Titel heraus.

Ingrid Klimke
Ingrid Klimke an den Olympischen Sommerspielen in London 2012. - Keystone

Doch nun wurde Geduld von ihr gefordert. Intensive Physiotherapie stand auf ihrem Tagesprogramm. Nach neun Wochen durfte sie erstmals wieder auf ein Pferd steigen – ein Gefühl wie eine Befreiung.

Triumph in Belgien

Schon Mitte August war Ingrid Klimke mit Hale Bob bei einem Turnier in Belgien unterwegs. Und der 17 Jahre alte Wallach trug sie förmlich zum Sieg.

Neben den Verletzungen schmerzte es sie, ihre sechste Olympia-Teilnahme zu verpassen. Die Goldmedaille für Julia Krajewski und das deutsche Pech im Team-Wettbewerb in Tokio verfolgte die zweimalige Olympiasiegerin am Fernseher.

Ihre Lockerheit und ihre Offenheit im Umgang mit Menschen haben Ingrid Klimke zu einer Vorzeigefrau des deutschen Reitens gemacht. Ihr Standing zeigte sich im Zuspruch von allen Seiten in dieser Zeit. «Das tat sehr gut», sagt sie.

EM hatte oberste Priorität

Vor allem der Besuch von Bundestrainer Hans Melzer half ihr. Nur wenige Tage nach dem Unfall war der 70-Jährige bei ihr, besprach den Plan für sie für den Rest der Saison. Und auf dem hat die EM oberste Priorität. «Für mich ist das der Ausgleich für die verpassten Olympischen Spiele», sagt sie.

Für viele Spitzen-Reiter ist die EM der Abschluss des Olympia-Sommers. Sie gönnen ihren Top-Pferden nach den Tokio-Wettbewerben längst eine Pause und satteln eher Nachwuchspferde. Wie der dreimalige Olympiasieger Michael Jung, der statt seines Olympia-Pferdes Chipmunk mit WildWave anreist.

Ingrid Klimke
Ingrid Klimke hat ihr Comeback im Sattel gegeben. Foto: Philipp Schulze/dpa - dpa-infocom GmbH

Für Klimke fängt die Saison in Avenches mit der EM vom Donnerstag an erst richtig an. Mit Hale Bob kann ihr etwas Ungewöhnliches gelingen: zum dritten Mal nacheinander den EM-Titel mit demselben Pferd gewinnen.

Ziele hat Klimke auch nach über 20 Jahren in der Weltklasse noch immer. Und nach der Verletzung erst recht. «Man kann sich gar nicht vorstellen, dass sie nicht mehr reitet», meint Bundestrainer Melzer.

Olympia 2024 ist ihr Ziel

Olympia in Paris 2024 ist so ein Ziel für Ingrid Klimke. Exzellente Pferde hat sie genug - und nicht nur für die Vielseitigkeit. Mit Franziskus gehört sie auch dem deutschen Olympia-Kader in der Dressur an. Ein Doppel-Start bei Olympia wäre ein Novum im deutschen Reiten.

Zweifel an dem, was sie tut, hat sie nicht bekommen – eher im Gegenteil. «Ich mache das, was ich am liebsten mache», hat sie aus ihrer Zwangsauszeit als Gewissheit mitgenommen. Dass ihr Sport gefährlich ist, weiss sie. «Autofahren finde ich aber noch gefährlicher.»

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