Niki Lauda und die Geschichte eines zielstrebigen Sturkopfs
Das Wichtigste in Kürze
- Der Kämpfer Niki Lauda glaubte auch diesen Kampf gewinnen zu können.
Er war grösster Zuversicht, nach einer im vergangenen Sommer nötig gewordenen Lungentransplantation den Weg in ein einigermassen normales Leben zurückzufinden. Im Oktober, beim Verlassen des Wiener Allgemeinen Krankenhauses, war er voller Hoffnung, seine Pläne umsetzen zu können.
Eine Grippe liess im Januar die Genesung zwar stocken und erforderte einen weiteren Spitalaufenthalt. Laudas Überzeugung tat dies aber keinen Abbruch. In seiner Grussbotschaft, die er anlässlich seines 70. Geburtstags am 22. Februar im österreichischen Fernsehsender ORF verbreitete, verstreute er auch die letzten Zweifel. «Ich komme wieder zurück. Es geht volle Pulle bergauf», hatte der Österreicher verkündet.
Es sollte anders kommen. Sein Körper, am Kopf durch Verbrennungen entstellt und durch Nierenverpflanzungen in den Jahren 1997 und 2005 bereits auf eine harte Probe gestellt, kapitulierte. Ein letztes Mal hatten sich die Spätfolgen des schrecklichen Unfalls im Grand Prix von Deutschland auf dem Nürburgring am 1. August 1976 gezeigt - derart intensiv, dass auch die Lungentransplantation nicht mehr helfen konnte. Der Körper vergass nie, auch gut 42 Jahre danach nicht. Lauda hatte seinen letzten Kampf verloren. Er verstarb am Montag im Uni-Spital Zürich, in das er vor rund drei Wochen verlegt worden war.
Verlieren. Dieses Wort hatte er gehasst. Lauda wollte schon in seiner Jugend zu den Gewinnern gehören. Er tat alles, um erfolgreich zu sein, stets davon beseelt, Autorennfahrer zu werden. Vom eingeschlagenen Weg liess er sich nicht mehr abbringen. Das Unverständnis aus seinem Elternhaus ignorierte er, die fehlende finanzielle Unterstützung akzeptierte er, zeitweilige Schulden nahm er auf dem Weg zur Stammkraft in der Formel 1 in Kauf.
Diese Klammheit soll Laudas Umgang mit Geld bis zuletzt geprägt haben. Er war als Geizhals verschrien, der jeden Schilling beziehungsweise jeden Euro zweimal umgedreht haben soll. Die Sparsamkeit zahlt sich aus für seine Hinterbliebenen, die zweite Ehefrau Birgit, die Zwillinge Max und Mia, die zwei Söhne Lukas und Mathias aus erster Ehe mit Marlene und den unehelichen Sohn Christoph. Laudas Vermögen wird auf über 200 Millionen Euro geschätzt.
Andreas Nikolaus Lauda, wie er gemäss Taufschein heisst, hätte es sich einfacher machen können. Er stammte aus einer wohlhabenden Wiener Familie. Sein Vater war Papierfabrikant, der Grossvater sass im Führungsgremium einer Bank, der Urgrossvater war Berater des letzten österreichischen Kaisers. «Niki hat nicht im Sportteil einer Zeitung zu stehen, sondern im Wirtschaftsteil», hatte sein Grossvater einmal gesagt.
Seinem Enkel war das egal. Der Sturkopf liess sich nicht umstimmen. Er wollte mehr sein als der Sohn vermögender Eltern, er wollte sich nicht ins gemachte Nest setzen. Der von seinem Vater angedachte berufliche Werdegang mit dem Einstieg in die Firma war nichts für ihn. Lauda junior wollte frei sein, Entscheide selber treffen, seine Zukunft nicht fremdbestimmen lassen. Dafür nahm er sogar den Bruch mit seiner Familie in Kauf.
Niki Lauda zweifelte nie. Er war überzeugt davon, seinen Traum verwirklichen zu können, obwohl er nicht zu den talentiertesten Fahrern gehört hatte. Doch er verfolgte sein Ziel konsequenter als andere. Er schuf sich seine eigene Nische. Er hatte eine Mission und setzte sie ungemein erfolgreich um. Die Fähigkeit, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Leute für sich einzuspannen, half ihm dabei.
Der Rennfahrer Lauda eckte bei seinen Konkurrenten nicht nur mit seiner Zielstrebigkeit an. Er gab Rätsel auf. Er war weder für Freund noch Feind richtig greifbar. Für viele war er ein Egoist und ein Eigenbrötler, der stets sich selber ins Zentrum stellte und sich als Mass aller Dinge sah. Ihm war das Nebenher egal. Entsprechend selten bis nie bemühte er sich, sympathisch zu wirken. Der Erfolg gab ihm recht. Die WM-Titel 1975, 1977 und 1984 sowie 25 Grand-Prix-Siege zeugen davon, dass Lauda sehr vieles richtig gemacht hat in seiner Karriere als Formel-1-Fahrer.
Lauda war ein Mann der Tat. Er entschied kurzfristig, oft aus einer Laune heraus. Dazu passt, dass er seinen ersten Rücktritt während eines Grand-Prix-Wochenendes, Ende September 1979 in Montreal, bekanntgab. Auf seinen Entschluss, «nicht mehr im Kreis herumfahren zu wollen», kam er drei Jahre später zurück und hängte als Fahrer von McLaren noch einmal vier Jahre an.
Die Formel 1 liess Lauda auch nach dem Ende der Aktiv-Karriere nie los. In den Neunzigerjahren war er bei Ferrari als Berater tätig. Bei der damals erfolglosen Scuderia leistete er seinen Beitrag zur Neuorganisation des Teams. Unter anderem war er an der Verpflichtung von Michael Schumacher auf die Saison 1996 hin hauptbeteiligt. Sein Weg im Automobilrennsport führte Lauda weiter zur damaligen Equipe von Jaguar, bei der er zu Beginn des neuen Jahrtausends vorerst als Rennleiter und später als Teamchef amtete. Im Herbst 2012 wurde Lauda zum Aufsichtsratsvorsitzenden des Formel-1-Rennstalls von Mercedes berufen. Nur wenige Monate später verstärkte er seine Position mit dem Erwerb von zehn Prozent des Aktienkapitals zusätzlich.
Seinen ersten Rücktritt als Rennfahrer hatte Lauda zum Eintritt in die Geschäftswelt genutzt. 1979 gründete er die Lauda Air, die zwischenzeitlich mit einer Flotte von 22 Flugzeugen operierte, 2000 Angestellte beschäftigte und pro Jahr bis zu 800'000 Passagiere beförderte. Bei vielen dieser Flüge sass Lauda als ausgebildeter Linienpilot selber im Cockpit. 2004 ging das Unternehmen nach vielen Jahren partieller Partnerschaft vollumfänglich in den Besitz der Austrian Airlines über.
Schon ein Jahr früher hatte Lauda mit Niki beziehungsweise Flyniki eine weitere Fluggesellschaft ins Leben gerufen, die ihren Betrieb als Tochterunternehmen der insolventen Air Berlin im vergangenen Dezember eingestellt hat. Laudas neuestes Aviatik-Projekt trug den Namen Laudamotion. Diese Firma ist seit Beginn des Jahres zu 100 Prozent im Besitz der irischen Billigfluglinie Ryanair.
Auch als Geschäftsmann blieb Lauda vom Schicksal nicht verschont. Den Absturz einer Maschine der Lauda Air im Mai 1991 in Thailand, der 223 Menschenleben forderte, bezeichnete er stets als das schlimmste Ereignis seines Lebens. Der Tod so vieler unschuldiger Leute berührte ihn mehr als seine eigenen Rückschläge. Lauda war dann nicht mehr Eigenbrötler, Egoist oder Querdenker. Dann stand auch er für das Normale und Herkömmliche.