Öffnet Corona die Tür zu Gehaltsgrenzen im Fussball?
130 Millionen Euro verdiente Bayern München 2020 durch den Gewinn der Champions League. Dieses Geld könnten die meisten Grossclubs in dieser Champions-League-Saison sehr gut gebrauchen, denn die Corona-Krise beschert ihnen gigantische Verluste. Wohin führt das noch?
Das Wichtigste in Kürze
- Diese Zahlen könnten die Entwicklung des europäischen Fussballs verändern.
Juventus Turin vermeldete für das vergangene Geschäftsjahr einen Verlust von 89,7 Millionen Euro.
Bei Paris Saint-Germain waren es 125,8 Millionen. Besonders schlimm steht es um den fünfmaligen Champions-League-Sieger FC Barcelona, der nach einem Minus von 97 Millionen in der Saison 2019/20 erst im Januar seinen aktuellen Schuldenstand offenbarte: 1,17 Milliarden Euro, von denen 730,6 Millionen kurzfristig zu begleichen seien.
Die Corona-Krise frisst sich auch oder gerade in die Bilanzen der besonders namhaften Clubs. Sie ist nicht die Keimzelle dieser gigantischen Verlustzahlen - das sind die Ablöse- und Gehaltsexzesse der vorangegangenen Jahre. Die Pandemie und der dadurch bedingte Rückgang von Spieltags- und Medienerlösen zeige aber, «wie empfindlich das Business ist», sagte Martin Nolte, der Leiter des Instituts für Sportrecht an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte hat in ihrer Studie «Football Money League 2021» errechnet, dass die 20 umsatzstärksten Clubs Europas in der vergangenen Saison einen Umsatzrückgang von zusammen 1,1 Milliarden Euro verzeichneten. Und da ist die erste komplette Corona-Saison 2020/21 noch nicht einmal berücksichtigt.
Die grosse Frage ist nun: Welche Auswirkungen wird das langfristig für den europäischen Spitzenfussball haben? Welche Debatten werden dadurch befeuert, welche Entwicklungen vielleicht sogar beschleunigt?
DER SALARY CAP
Eine Gehaltsobergrenze für Fussballprofis wurde schon vor der Pandemie gern gefordert. Bislang überwogen aber die Bedenken: Wer würde sich daran halten? Und wie wäre sie mit europäischem Recht zu vereinbaren? Professor Nolte, der auch der «Taskforce Zukunft Profifussball» der Deutschen Fussball Liga angehört, sieht dank Corona eine wachsende Bereitschaft bei Vereinen und Verbänden, «zur Dämpfung der Kostenspirale über Gehalts- und Budgetobergrenzen zu diskutieren».
Nach dem Treffen der Taskforce sprach sich auch DFL-Chef Christian Seifert für einen «Salary Cap» aus. Und der erfahrene Manager Jörg Schmadtke vom VfL Wolfsburg erklärte in einem dpa-Interview: Bislang habe es unter den europäischen Clubs «immer völlig unterschiedliche Interessen» bei diesem Thema gegeben. «Ich habe aber den Eindruck, dass sich diese Interessen angleichen könnten. Nehmen Sie das Jahresminus von Juventus Turin. In Spanien geht es auch um ganz andere Summen als bei uns. Die könnten also auch ein Interesse an Änderungen haben – zum Beispiel an einer Gehaltsobergrenze.»
Auch ohne gesamteuropäische Regelung gibt es bereits erste Beispiele für interne «Salary Caps». So hat der amerikanische Hedgefonds Elliott als Besitzer des AC Mailand verfügt, dass kein Spieler des italienischen Spitzenclubs in Zukunft mehr als vier Millionen Euro netto pro Jahr verdienen soll - Ausnahmen sind nur Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic und Italiens Nationaltorwart Gianluigi Donnarumma.
Bleibt die Frage, die Seifert «ein dickes Brett» nennt: Ist eine Gehaltsobergrenze für Profis oder eine Budgetgrenze für Vereine rechtlich und auch praktisch durchsetzbar? Sportrechtler Nolte sagt: Ja. «Es gibt nicht den einen Salary Cap, sondern unterschiedliche Ausgestaltungen. Deren Vereinbarkeit mit europäischem Recht hängt davon ab, ob die Ziele die Einschränkungen des Wettbewerbs rechtfertigen», erklärte er. Zum Beispiel mit dem Argument, dass ein solcher Eingriff in die Wettbewerbsfreiheit genau diesen Wettbewerb erst schützen würde. «Die Chance für die Einführung eines Salary Caps ergibt sich gerade aus der aktuellen Krise», sagte Nolte der Deutschen Presse-Agentur.
DIE SUPERLIGA
Auf den ersten Blick ist das Thema vom Tisch. Der Weltverband FIFA und die sechs Kontinentalverbände im Fussball erklärten erst im Januar: «Eine geschlossene europäischen Super League würde weder von der FIFA noch von der jeweiligen Konföderation anerkannt.» Und: «Vereine oder Spieler, die an einem solchen Wettbewerb teilnehmen würden», dürften danach nicht mehr bei einer WM oder EM spielen.
Nur zehn Tage später aber behauptete der Präsident der spanischen Liga in der britischen Zeitung «The Sun»: FIFA-Boss Gianni Infantino selbst stehe hinter den Superliga-Plänen. «Er hat daran mitgearbeitet und sie sogar ermutigt, sie zu gründen», sagte Javier Tebas.
Die stärksten Befürworter einer solchen Liga kommen aus Spanien: Real Madrid und der FC Barcelona. Nach übereinstimmenden Medienberichten gibt es bereits entsprechende Pläne, die die US-Bank JP Morgan als Finanzier sowie 15 europäische Spitzenclubs inklusive Bayern München und Borussia Dortmund aus Deutschland als feste Teilnehmer vorsehen. Fünf weitere Teams würden dann jedes Jahr neu ausgewählt werden.
Auch die UEFA möchte noch in diesem Jahr über eine weitere Reform der Champions League entscheiden. Aber die Vorzüge einer geschlossenen Superliga für Clubs wie Real, Barcelona oder auch Bayern München liegen auf der Hand. Sie hätten dort viel höhere Garantie-Einnahmen, als das bislang der Fall ist. Zum Vergleich: Für seinen Erfolg in der Champion League kassierte der FC Bayern im vergangenen Jahr Prämien in Höhe von rund 130 Millionen Euro. Die neuen Super-League-Pläne sehen nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» gestaffelte Einnahmen von 100 bis zu 350 Millionen Euro für jeden Teilnehmer vor.
Professor Nolte glaubt persönlich nicht an die Einführung einer solchen Liga. Bei der Drohung der FIFA hat er jedoch «rechtlich gleichwohl Bedenken». Erst im Dezember entschied der Europäische Gerichtshof im Fall der Internationalen Eislaufunion (ISU): Sportler für die Teilnahme an Nicht-ISU-Veranstaltungen zu sanktionieren, verstosse gegen die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union.