«Schwimm-Mozart»: Roland Matthes ist tot
Für seinen aussergewöhnlichen Schwimm-Stil wurde Roland Matthes sogar von der Konkurrenz bewundert. Der viermalige Olympiasieger galt als bester Rücken-Spezialist seiner Zeit und ist der erfolgreichste deutsche Schwimmer. Nun starb er mit nur 69 Jahren.
Das Wichtigste in Kürze
- Seine majestätische Eleganz brachte ihm den Spitznamen «Schwimm-Mozart» ein, für viele war Roland Matthes der «Rolls Royce des Schwimmens».
Der viermalige Olympiasieger und erfolgreichste deutsche Schwimmer starb am Freitag im baden-württembergischen Wertheim nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 69 Jahren.
«Mit Roland Matthes hat uns nicht nur einer der erfolgreichen Schwimmer der Sportgeschichte verlassen, sondern auch ein stets hilfreicher Mensch, der immer Brücken schlagen wollte - innerdeutsch zwischen Ost und West ebenso wie zwischen den älteren und jüngeren Sportlergenerationen», sagte der Vizepräsident des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV), Uwe Brinkmann. «Wir werden ihn als ein grosses Vorbild in Erinnerung behalten.» Matthes Frau hatte der Deutschen Presse-Agentur den Todesfall bestätigt. Zuvor hatte die «Bild am Sonntag» darüber berichtet.
Die Sport-Karriere des Ausnahmekönners begann eher unfreiwillig. Als er als Kind in einen Teich sprang und nicht schwimmen konnte, wurde er von seinem vier Jahre älteren Bruder und ein paar Freunden wieder heraus geholt. «Dann habe ich aber schnell schwimmen gelernt», sagte Roland Matthes einst. «Zum Schwimmen kam ich dann, weil es da immer eine warme Dusche gab», berichtet er von damals ärmlichen Verhältnissen.
Zunächst wurde ihm Talentlosigkeit bescheinigt. Doch seine langjährige Trainerin Marlies Grohe, die sein Leben prägte und von Matthes in der «Sächsischen Zeitung» mal als «Übermutter» bezeichnet wurde, sprach ein Machtwort und erkannte: «Das ungehobelte Stück Holz muss geschnitzt werden.» Sie legte damit den Grundstein für eine einmalige Karriere.
Sieben Jahre blieb Matthes über die Rückenstrecken unbesiegt - von April 1967 bis August 1974 schlug er immer als Erster an und erzielte 21 Weltrekorde. Bei seinen insgesamt drei Olympia-Teilnahmen holte er neben vier goldenen Medaillen noch je zwei Mal Silber und Bronze. Zudem wurde er dreimal Welt- und fünfmal Europameister - auch weil er einen unglaublichen Schwimmstil hatte, der von der Konkurrenz bestaunt wurde.
«Matthes ist wundervoll», sagte der frühere US-amerikanische Schwimmer Ronald Mills. «Ich bewundere an ihm seine langsame Zugfolge, die wie gespielt aussieht und doch so wirksam ist.» Matthes lag mehr auf dem Wasser als in diesem. «Vielleicht lag es auch an meinen grossen Ohren», kommentierte er einst lachend.
Sieben Mal wurde er in der DDR zum «Sportler des Jahres» gewählt. 1981 wurde er in die International Swimming Hall of Fame in Fort Lauderdale/Florida aufgenommen. 2004 zeichnete ihn die Stiftung Deutsche Sporthilfe mit der «Goldenen Sportpyramide» aus. Seit 2006 ist er Teil der Ruhmeshalle des deutschen Sports.
Für Aufsehen sorgte 1978 die Heirat mit Kornelia Ender, dem zweiten grossen sportlichen DDR-Schwimmm-Aushängeschild der damaligen Zeit. Als die Ehe vier Jahre später geschieden wurde, fiel Matthes bei der sportlichen und politischen Führung in Ungnade. Kurz nach dem Mauerfall ging der im thüringischen Pössneck geborene Sportler im Dezember 1989 in den Westen. Über Kaiserslautern kam der promovierte Orthopäde nach Tauberbischofsheim und zur Fechttrainer-Legende Emil Beck und kümmerte sich dort um physiologische Trainingssteuerung. Franziska van Almsick und anderen Athletinnen stand er mit Rat und Tat zur Seite.
1998 kehrte er für drei Jahre als TV-Experte bei der ARD an den Beckenrand zurück und hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. «Wahrscheinlich war ich auch hier zu kritisch», sagte er einst. Er sei damals einer der «Dummschwätzer» der ARD gewesen: «Ich durfte meinen Senf beitragen, den keiner hören wollte. Fürs Fernsehen bin ich zu spröde.»
Und eines hat er nie gemacht: mit der DDR und deren System abgerechnet. Er sprach sich gegen «Pharisäertum» im Umgang mit DDR-Erfolgen aus. «Nicht alles ist mit Doping zustande gekommen. Ausserdem wurde vermutlich auch im Westen gedopt», sagte Matthes 2008 in einem «Tagesspiegel»-Interview.
Er selbst habe mit Doping nichts zu tun gehabt: «Ich hatte das Glück, in einem kleinen Zivilclub bei Erfurt zu sein und nicht in einem der Polizei- oder Militärvereine, wo man mit Doping in Berührung kam.» Nach einem dritten Platz bei Olympia 1976 über 100 Meter Rücken stieg Matthes im Alter von 26 Jahren als damaliger «Schwimm-Methusalem» aus dem Becken.