Nach ihrer Cinderella-Story bei Olympia in Rio stand Simone Biles eher im Zusammenhang mit dem Missbrauch-Skandal. Nun liegt der Fokus wieder auf dem Sport.
Simone Biles aus den USA trainiert im Aspire Dome in Doha auf dem Schwebebalken.
Simone Biles aus den USA trainiert im Aspire Dome in Doha auf dem Schwebebalken. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Simone Biles nimmt erstmals seit Rio 2016 an internationalen Wettkämpfen teil.
  • Und das nach ganz schweren Monaten mit Gewissensqualen und peinlichen Gerichtsauftritten.
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Dieses Comeback fasziniert die Turnwelt. Schon nach dem Podiumtraining der Weltmeisterschaften in Doha war Simone Biles in der Mixed-Zone stark umlagert. Die 21-jährige Ausnahme-Turnerin aus Spring in Texas steht in der Hauptstadt Katars erstmals seit dem Gewinn ihrer vier Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio wieder international am Start.

Und das nach ganz schweren Monaten mit Gewissensqualen und peinlichen Gerichtsauftritten. Sie galt als eine der wichtigsten Zeuginnen im Missbrauchsprozess gegen den früheren US-Teamarzt Larry Nassar, der in Michigan wegen sexuellen Missbrauchs von rund 250 Turnerinnen im wohl grössten Skandal der US-Sportgeschichte zu 175 Jahren Haft verurteilt wurde.

Simone Biles war sein prominentestes Opfer. «Es fühlte sich an, als ob er einen Teil von mir geraubt hat, den ich nicht mehr wiederbekommen kann», sagte sie in einer ARD-Reportage aus ihrem Trainingscamp. Doch Details der sexuellen Schikanen will die Heldin von Rio - im Gegensatz zu einigen Team-Kolleginnen - nicht preisgeben. «Ich versuche das, was in der Turnhalle passiert, auch dort zu lassen.»

Erste Titelkämpfe in Arabien

Bei den erstmals in Arabien ausgetragenen Titelkämpfen strebt die Rekordweltmeisterin Biles nun als erste Turnerin der Welt ihren vierten WM-Titel im Mehrkampf nach 2013, 2014 und 2015 an. Beim US-Championat in Kansas City hatte sie die WM-Titelverteidigerin Morgan Hurd mit mehr als drei Punkten Vorsprung deklassiert.

Doch wird sie in Doha nicht ein ähnliches Zeichen gegen sexuellen Missbrauch setzen können wie noch im August. Zum Championat hatte die Olympiasiegerin selbst ein blau-grünes Trikot entworfen, in den Farben der «Survivors» («Überlebende»), wie sich die Opfer des sexuellen Missbrauchs selbst nennen. «Ich stehe mit allen zusammen. Und ich denke, es ist etwas Besonderes, Menschen zu vereinen», begründete Biles ihre Aktion.

Bei der WM wird sie nun in den Farben ihres nationalen Verbandes antreten, dessen ehemaliger Präsident Steve Perry wegen Vertuschung und Manipulation von Nassars Machenschaften ebenfalls in Haft sitzt. Auch seine zwei Nachfolgerinnen Kerry Perry und Mary Bono haben inzwischen ihr Amt wieder abgegeben. Prozesse gegen weitere Verantwortliche laufen - der Skandal ist noch lange nicht zu Ende. Der Anfang April zurückgetretene US-Chefcoach Valeri Liukin betreut jetzt bei der WM das Team Brasiliens.

Seifenoper Made in USA

Noch in Rio hatte Biles' Erfolgsgeschichte wie eine Seifenoper Made in USA geklungen. Kaum ein US-Blatt, das an der Story vom Aschenputtel zur reichen Turn-Königin vorbeikam. Biles hatte eine schwierige Kindheit, wuchs in Kinderheimen in Ohio auf, weil ihre drogenabhängige Mutter nicht für ihre Kinder sorgen konnte.

Als Simone Biles sechs Jahre alt, übernahm ihr wohlhabender Grossvater in Texas die Verantwortung für sie und ihre Schwester Adria. Er adoptierte die beiden Mädchen und kümmerte sich mit seiner Frau Nellie rührend um sie. Simone Biles spricht ihren Opa daher stets als Daddy an. Kurz nach ihrem Gewinn des Allround-Titels im chinesischen Nanning schenkte der Millionär ihr 2014 ein eigenes Gym. Doch die Machenschaften des damals überall präsenten Teamarztes Nassar konnte auch er nicht durchschauen.

So wie auch Deutschlands Turnstar Fabian Hambüchen während seiner Laufbahn von solch einem Skandal nie etwas geahnt hatte. «Ich war erschüttert, als ich davon hörte. Ich kenne Nasser ja oberflächlich von vielen Wettkämpfen. Man hat sich gegrüsst und mal gequatscht. Ich konnte und wollte mir das nicht vorstellen», sagte er im Interview des «Tagesspiegel» und ergänzte: «Ich finde es jedenfalls toll, dass Simone Biles nun zurückkommt und vielleicht stärker ist denn je.»

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