Die WM 2026 scheint zwar in vielerlei Hinsicht der Gegenentwurf zur umstrittenen Katar-Endrunde. Das muss aber nicht zwingend positiv sein. Fussball gibt es in dreieinhalb Jahren im Überfluss.
Carlos Cordeiro (l), Präsident des US-Fussballverbandes, und FIFA-Präsident Gianni Infantino (M) bei einem Termin beim damaligen US-Präsidenten Donald Trump.
Carlos Cordeiro (l), Präsident des US-Fussballverbandes, und FIFA-Präsident Gianni Infantino (M) bei einem Termin beim damaligen US-Präsidenten Donald Trump. - Evan Vucci/AP/dpa

Im Weissen Haus sitzt ein anderer, Gianni Infantino ist noch da. Das vor über vier Jahren aufgenommene Bild des FIFA-Präsidenten lächelnd mit blauem Trikot neben Donald Trump scheint auch gut mit Joe Biden vorstellbar.

Zumindest twitterte der aktuelle US-Präsident in den vergangenen Wochen recht fussballbegeistert – trotz des frühen Abschieds seiner Auswahl aus Katar. «Auf eine glänzende Zukunft 2026 hier bei uns zu Hause», schrieb Biden. Die WM in dreieinhalb Jahren in den USA, Kanada und Mexiko, die Gianni Infantino erneut bewarb, verspricht viel – aber nicht zwingend eine glänzende Zukunft für den Fussball.

Bei der WM 2026 80 statt 64 Partien

«Unglaublich» werde der Einfluss in Nordamerika sein, sagte Infantino, kurz nachdem er aber über erneut fragwürdige Pläne gesprochen hatte, das Spiel gigantisieren. Nach der längst beschlossenen Aufstockung von 32 auf 48 WM-Teilnehmer wird innerhalb des Weltverbands dem Vernehmen nach intensiv über den Modus debattiert. «Wir müssen das noch einmal aufgreifen oder zumindest neu diskutieren, ob wir 16 Dreiergruppen machen oder 12 Vierergruppen, das ist sicherlich etwas, was bei den nächsten Meetings auf der Agenda stehen wird», sagte Infantino während seiner Abschlusspressekonferenz. Es würden noch mehr Spiele.

Bislang stehen statt der 64 Partien in Katar 80 Spiele verteilt auf drei Länder auf dem WM-Plan 2026. Würde der Modus zu zwölf Viergruppen geändert, wären bis zu 104 Partien möglich. Das Problem am Dreiergruppen-Modus ist die höhere Gefahr für unbedeutende Spiele oder für eventuelle Absprachen, da eine Nation zwingend spielfrei hat. Infantino lobte den «Erfolg der Vierergruppen» bei dem Turnier in Katar. «Hier waren die Vierergruppen absolut unglaublich, in dem Sinne, dass es bis zur letzten Minute des letzten Spiels offen war, wer weiterkommt.»

Immer im Blick hat die FIFA dabei die Vermarktungsmöglichkeiten. Allein mit den 80 Spielen werden die Einnahmen massiv steigen, der Weltverband rechnet bis Ende 2026 mit einem Umsatz im Bereich von elf Milliarden US-Dollar. Es würden bis zu 5,5 Millionen Fans in den Gastgeber-Ländern erwartet, sagte Infantino. Im Vergleich zur Katar-WM müssen sich die Zuschauer massiv umstellen.

Vom Chalifa Stadion westlich von Doha, wo am Samstag die Partie um Platz drei auf dem Plan stand, bis zur Final-Arena Lusail im Norden dauert die Autofahrt (ohne Verkehr) gut 20 Minuten, mit der U-Bahn geht es auch. 2026 wird in 16 Stadien gespielt, 11 in den USA, 3 in Mexiko und 2 in Kanada – da liegen teilweise Hunderte Kilometer zwischen. Der Flug etwa von Miami nach Vancouver dauert über sechs Stunden, von Philadelphia nach Mexiko-Stadt mit Zwischenstopp auch mal über acht. Wo welche Spiele stattfinden, ist offen. Die Stadien liegen zudem in verschiedenen Zeitzonen.

Pfannenstiel erwartet WM «wie in Deutschland»

Der deutsche Fussball-Weltenbummler Lutz Pfannenstiel erwartet im positiven Sinne «eine Mega-Veranstaltung». Das Turnier könne «etwa so wie in Deutschland» werden, sagte der 49-Jährige, der seit mehr als zwei Jahren einen MLS-Club in St. Louis aufbaut, der Deutschen Presse-Agentur. «Nach dem Motto: Willkommen bei Freunden. Und für jeden ist etwas dabei.» Die WM 1994 in den USA sei schon gut organisiert gewesen, «aber seitdem hat der Fussball hier enorm an Wichtigkeit gewonnen».

Die Bedeutung der gesellschaftspolitischen Dimension im Sport war nicht zuletzt wegen der Katar-WM enorm gewachsen. Die massive Kritik, insbesondere aus Deutschland wegen der Menschenrechtslage im Emirat, dürfte vor der 2026er-Endrunde zumindest einen anderen Ton haben. «Es würde mich nicht überraschen, dass sich die FIFA dann um Menschenrechte und Diversität kümmert. Das wird vor allem in den USA erwartet», sagte der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel der dpa.

Der 61-Jährige war bei der WM-Vergabe im Sommer 2018, die erstmals durch den FIFA-Kongress entschieden wurde, mit dabei. Zuvor waren die Endrunden – auch bei der skandalumwitterten Doppelvergabe an Russland (2018) und Katar (2022) – im geschlossenen Kreis des damaligen FIFA-Exekutivkomitees vergeben worden. Der WM-Gastgeber 2030 soll 2024 gekürt werden. Bislang wird auch diese Endrunde mit 48 Teilnehmernationen geplant. Aber man weiss ja nie.

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