Euro 2020: Breitbeiniger Ronaldo zeigt, wie man Penalty schiesst
Den englischen Youngsters versagen im Final der Euro 2020 die Nerven. Ein Sportpsychologe erklärt, wie man üben kann, mit Druck umzugehen.
Das Wichtigste in Kürze
- Rashford, Sancho und Saka scheitern im EM-Final vom Punkt.
- England muss weiter auf seinen ersten Titel seit 1966 warten.
- Wie kann mit solchem Druck in einem Penaltyschiessen umgegangen werden?
Marcus Rashford und Jadon Sancho werden im EM-Final in der letzten Minuten extra fürs Penaltyschiessen eingewechselt. Die beiden Youngsters scheitern vom Punkt – und England verpasst den ersten grossen Titel seit 55 Jahren.
Nau.ch fragt bei einem Sportpsychologen nach, wie Profi-Fussballer lernen können mit solchen enormen Drucksituationen umzugehen.
Nau.ch: Jan Rauch, kann man Penaltyschiessen überhaupt trainieren?
Jan Rauch: Ja und nein. Grundsätzlich können die bewussten Bewegungsabläufe, welche bei Profis normalerweise hoch automatisiert sind, sowie Konzentration trainiert werden. Allerdings kann der Druck, der in einem EM-Final auf den Schützen lastet, natürlich nicht 1:1 simuliert werden.
Nau.ch: Was würden Sie als Sportpsychologe dem Sportler für solche Szenarien raten?
Jan Rauch: Die Wissenschaft unterscheidet bei Penaltys 5 Phasen, welche alle unterschiedlich mit Gedanken und Angst assoziiert sind: Von unmittelbar nach der Verlängerung bis nach der Ausführung des Elfmeters.
Die grösste Angst erleben die meisten Spieler beim sogenannten «Walk», also dem Gang von der Mittellinie zum Elfmeterpunkt, sowie unmittelbar vor dem Schuss.
Nau.ch: Was macht dieser Walk mit den Spielern?
Jan Rauch: Sie haben viel Zeit, um sich Gedanken zu machen: Wie der Penalty jetzt genau getreten werden soll, oder was alles schieflaufen könnte. Diese Gedanken verhindern, dass die Schützen auf ihre eigentlich automatisierten Bewegungsabläufe zurückgreifen können, wie es z.B. im Training der Fall ist.
Umso wichtiger wäre es, für Penaltys bewusste Gedanken («Selbstgespräche») und Bewegungsabläufe anzutrainieren, auf welche sich die Schützen auch in Drucksituationen «verlassen» können.
Nau.ch: Wie könnte eine solche Annäherungssituation aussehen?
Jan Rauch: Man sollte das Penaltyschiessen so wettkampfnah wie möglich imitieren, eben auch den «Walk». Die Spieler stehen an der Mittellinie und müssen bis zum Elfmeterpunkt laufen. Dann schaut dir die ganze Mannschaft zu, wie du schiesst, das erhöht den Druck auf den Schützen. Und es gibt den Schützen ein Gefühl dafür, welche Gedanken im Ernstfall auftreten und wie sie damit umgehen können.
Nau.ch: Also muss man es trainieren?
Jan Rauch: Das Ziel dabei sollte es sein, einen Penalty wirklich «bewusst» zu trainieren. So, dass man einen genauen Plan davon hat, was man vor und während der Ausführung tut, und wo die Konzentration liegen soll. Ein genauer Plan davon und viel Training geben dir in solchen Situationen einen psychologischen Vorteil.
Nau.ch: Wie 2006 bei Marco Streller fällt auch beim Italiener Belotti das «Zungenspiel» vor dem Penalty auf. Auch er verschiesst. Sind diese Zungenbewegungen ein Zeichen vor Nervosität?
Jan Rauch: Ich gehe davon aus. Aber einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Zungenspiel und der Fähigkeit, einen Penalty zu schiessen, gibt es wohl keinen.
Aber auch hier: Es ist ein Vorteil, sich ein bewusstes Verhalten für solche Situationen anzutrainieren. Je mehr ich bewusst etwas trainiere, desto kleiner wird die Wahrscheinlichkeit für solch unbewusste Verhaltensweisen.
Nau.ch: Braucht man ein Ritual?
Jan Rauch: Das ist von Vorteil. Ein Beispiel dafür ist Cristiano Ronaldo, der vor Penaltys und Freistössen breitbeinig steht und nochmal tief durchatmet. Diese Art von Routine hilft, bei Drucksituationen die Kontrolle zu behalten.